Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Versorgungsbezüge als nichtselbständige Einkünfte im Verhältnis zur Besteuerung der Renten nach § 22 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die gesetzliche Regelung der Besteuerung von Versorgungsbezügen war im Jahre 1993 noch verfassungsgemäß, da die dem Gesetzgeber durch das BVerfG eingeräumte Zeitspanne für eine gesetzliche Neuregelung in diesem Jahr noch nicht überschritten war.
2. Der Gleichheitssatz gebietet nicht die Anhebung der Werbungskostenpauschale bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf das Niveau des Sparerfreibetrags oder die Gewährung des Freibetrags für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der Besteuerung von Versorgungsbezügen, da die unterschiedliche Behandlung der jeweils betroffenen Einkunftsarten auf sachgerechter Differenzierung beruht.
Normenkette
EStG § 9a Nr. 1, § 13 Abs. 3 S. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1, § 20 Abs. 4 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
1993
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung von Versorgungsbezügen.
Die alleinstehende Klägerin, geboren ..., ist seit 1992 Pensionärin. In dem Einkommensteuerbescheid 1993 berücksichtigte der Beklagte antragsgemäß bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Versorgungsbezüge i. H. von 19.567,-- DM sowie einen Werbungskostenpauschbetrag i. H. von 2.000,-- DM. Der Bescheid war gem. § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - vorläufig u. a. im Hinblick auf Verfassungsbeschwerden zu dem Arbeitnehmerpauschbetrag i. S. von § 9a Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin zunächst geltend gemacht, die Einordnung der Versorgungsbezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit statt - wie Renten - als sonstige Einkünfte sei ebenso wie die gesetzliche Aufhebung des Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrages verfassungswidrig.
Der Senat hat die Klage mit Gerichtsbescheid von…abgewiesen.
Nach rechtzeitigem Antrag auf mündliche Verhandlung macht die Klägerin nunmehr geltend, die Versorgungsbezüge seien im Rahmen des § 22 EStG zu erfassen. § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sei nichtig, soweit Ruhestandsbeamte und Richter im Ruhestand betroffen seien, weil der Gesetzgeber der ihm vom Bundesverfassungsgericht aufgegebenen Verpflichtung zur Neuregelung der Versorgungsbezüge nicht innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Frist nachgekommen sei. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - über den Vorlagebeschluß des Finanzgerichts - FG - Rheinland-Pfalz vom 27. Juli 1995 5 K 1047/95 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1995, 918) sei das Verfahren hier auszusetzen. Darüber hinaus sei bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ein Freibetrag von 6.000,-- DM bzw. in analoger Anwendung des § 13 Abs. 3 EStG i.H. von 2.000,-- DM zu berücksichtigen; das würden der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gebieten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Versorgungsbezüge lediglich mit dem Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 EStG zu versteuern und einen Freibetrag von 6.000,-- DM, mindestens aber 2.000,-- DM zu gewähren,
hilfsweise das Verfahren im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung der Versorgungsbezüge auszusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 EStG stellen die Versorgungsbezüge von Beamten abzüglich eines Freibetrages von 40 %, höchstens 4.800,-- DM, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Entsprechend dieser Vorschriften hat der Beklagte die Pension der Klägerin versteuert. Der Beklagte ist ebenso wie das Gericht an das Gesetz gebunden.
Hält ein Gericht ein für die Entscheidung maßgebliches Gesetz für verfassungswidrig, hat es das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Einen solchen Vorlagebeschluß hat das FG Rheinland-Pfalz (a. a. O.) am 24. Juli 1995 zu der Frage gefertigt, ob § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 EStG in der für 1993 geltenden Fassung deshalb für nichtig zu erklären sei, soweit Ruhestandsbeamte und Richter im Ruhestand betroffen seien, weil der Gesetzgeber der ihm vom BVerfG aufgegebenen Verpflichtung zur Neuregelung der Versorgungsbezüge pensionierter Beamter und Richter nicht innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Frist nachgekommen sei. Der hiesige Senat hält die gesetzliche Regelung der Besteuerung von Versorgungsbezügen für das Streitjahr 1993 nicht für verfassungswidrig, so daß eine Aussetzung des Verfahrens weder nach Art. 100 GG in Betracht kommt noch nach § 74 der Finanzgerichtsordnung - FGO - angezeigt erscheint.
Mit Beschluß vom 26. März 1980 hat das BVerfG entschieden, daß die unterschiedliche Besteuerung von Renten und Pensionen dem Grunde nach verfassungsgemäß sei. Die eingeschränkte Besteuerung der Renten sei gerechtfertigt, weil die Versicherten der ges...