Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für in der Türkei wohnende Kinder – Geltung des Deutsch-Türkischen Abkommen über Soziale Sicherheit für deutsche Staatsangehörige
Leitsatz (redaktionell)
- Der Anwendungsbereich des Deutsch-Türkischen Abkommen über Soziale Sicherheit ist nicht auf in Deutschland lebende Arbeitnehmer mit türkischer Staatsangehörigkeit beschränkt, sondern findet gleichermaßen auf Arbeitnehmer – gleich welcher Herkunft – mit deutscher Staatsangehörigkeit Anwendung, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Inland nachgehen.
- Die Höhe des Kindergeldanspruchs nach diesem Abkommens ist aber auf 5,11 EUR für das erste, 12,78 EUR für das zweite, 30,68 EUR für das dritte und vierte sowie 35,79 EUR für jedes weitere Kind beschränkt.
Normenkette
SozSichAbk Türkei Art. 3 Buchst. a), Art. 33; EStG § 66
Streitjahr(e)
2007, 2008
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Kindergeld für die Kinder „I” (geb. „...” 1998), „N” (geb. „...” 1999), „C” (geb. „...” 2003) und „F” (geb. „...” 2009).
Der türkischstämmige Kläger arbeitet und wohnt in Deutschland. Er ist in Deutschland sozialversicherungspflichtig und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Ehefrau des Klägers und Mutter der Kinder ist Türkin. Für die Kinder „I”, „N” und „C” war dem Kläger zunächst laufend Kindergeld gewährt worden. Nachdem die Beklagte im April 2008 davon Kenntnis erhalten hatte, dass die Kinder seit den Sommerferien 2007 mit der Mutter in der Türkei leben, hob die Beklagte mit Bescheid vom 3. August 2009 die Kindergeldfestsetzung ab August 2007 auf und forderte zugleich das für den Zeitraum August 2007 bis April 2008 gezahlte Kindergeld in Höhe von 4.383 EUR zurück.
Im Einspruchsverfahren gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid machte der Kläger geltend, die Kinder lebten zwar zwischenzeitlich in der Tat in der Türkei, sie hielten sich jedoch regelmäßig auch in Deutschland auf. Darüber hinaus machte der Kläger den Kindergeldanspruch gemäß Artikel 33 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl II 1965, 1169 – SozSichAbk Türkei) geltend.
Am 9. November 2009 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Kinder könnten nicht berücksichtigt werden, weil sie in Deutschland während des Streitzeitraums weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätten (§ 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG –). Nachweislich lebten sie seit August 2007 mit ihrer Mutter in der Türkei. Soweit der Kläger vortrage, der Türkeiaufenthalt sei nur vorläufig, weil die Ehefrau des Klägers in der Türkei ihre Mutter pflege, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Zudem könne der Kläger sich auch nicht auf Art. 33 SozSichAbk Türkei berufen, da er die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Das Abkommen betreffe ausschließlich in Deutschland lebende türkische Arbeitnehmer.
Mit weiterem Bescheid vom 24. November 2009 lehnte die Beklagte einen erneuten Kindergeldantrag des Klägers vom 8. Januar 2009 für die Kinder „I”, „N” und „C” sowie einen zwischenzeitlich formlos für das Kind „F” gestellten Antrag ab.
Mit der am 26. November 2009 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung vom 09. November 2009. Er macht geltend, zwar könne er der Beklagten nicht widersprechen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 63, 62 EStG derzeit nicht gegeben seien. Dem Kläger sei jedoch Kindergeld gemäß Art. 33 SozSichAbk Türkei zu gewähren. Das Abkommen stelle nicht auf die Staatsangehörigkeit ab. Ein anderes Ergebnis würde zudem gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 3. August 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2009 Kindergeld für die Kinder „I”, „N”, „C” ab August 2007 und für „F” ab Juni 2009 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest und nimmt Bezug auf die Einspruchsentscheidung.
Das Gericht hat die Kindergeldakte zum Verfahren beigezogen. Auf den übersandten Verwaltungsvorgang und auf die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Das Gericht hat die Kindergeldakte zum Verfahren beigezogen. Auf den übersandten Verwaltungsvorgang und auf die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Der Senat entscheidet im schriftlichen Verfahren, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben und es keiner weiteren Sachverhaltsermittlungen bedarf, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat (lediglich) in dem im Tenor zugesprochenen Umfang Erfolg.
1) Soweit der Kläger mit der Klage Kindergeld für das Kind „F” begehrt, ist die Klage ...