Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen
Leitsatz (redaktionell)
- Die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen ist als steuerbare Einnahme i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a) aa) EStG zu qualifizieren, die gemäß § 3 Nr. 3 lit. b) EStG steuerfrei ist.
- Eine Verrechnung des Erstattungsbetrages als negative Sonderausgabe im Zuflussjahr kommt daher nicht in Betracht.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 3 lit. b), § 3 Nr. 3 lit. c), § 10 Abs. 4b S. 2, § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a) aa); SGB VI § 210 Abs. 1a, 3 S. 1
Streitjahr(e)
2017
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen.
Die Kläger werden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin hatte in den Jahren 2010, 2011 und 2013 Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Nachdem sie verbeamtet worden war, beantragte sie im Jahr 2016 die Erstattung dieser Beiträge gemäß § 210 Abs. 1a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Mit Bescheid vom 24.3.2017 erstattete die Deutsche Rentenversicherung Bund einen Betrag von 2.781,26 €.
Dabei wurden für die Jahre 2010 und 2011 exakt die geleisteten Beiträge zurückerstattet. Für das Jahr 2013 übersteigt der Erstattungsbetrag die laut Lohnsteuerbescheinigung geleisteten Arbeitnehmerbeiträge um etwa 17 €.
Im Einkommensteuerbescheid vom 23.4.2018 berücksichtigte der Beklagte den Erstattungsbetrag als Minderung der Altersvorsorgeaufwendungen. Der Sonderausgabenabzug wurde entsprechend dem für 2017 abzugsfähigen Anteil um 84 % von 2.782 €, also um 2.336 € reduziert.
Hiergegen legten die Kläger unter dem 26.4.2018 Einspruch ein. Sie machten geltend, bei der Zahlung handele es sich nicht um negative Sonderausgaben, sondern um eine nach § 3 Nr. 3 lit. b) des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreie Leistung. Es könne sich schon deshalb nicht um eine echte Erstattung aus gezahlten Beiträgen handeln, weil der von der Rentenversicherung geleistete Betrag die tatsächlich gezahlten Arbeitnehmerbeiträge übersteige.
Selbst wenn man von negativen Sonderausgaben ausginge, seien diese nicht im Streitjahr zu verrechnen, sondern in den Jahren der ursprünglichen Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge. Es handele sich um ein rückwirkendes Ereignis. Wegen der Entwicklung der anteiligen Abziehbarkeit von Sonderausgaben führe die Verrechnung im Jahr 2017 dazu, dass nunmehr ein höherer Betrag versteuert würde, als seinerzeit überhaupt abzugsfähig gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23.5.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Erstattung sei nach § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG zu verrechnen. Zwar habe die Klägerin im Streitjahr keine Altersvorsorgeaufwendungen mehr getätigt, eine Verrechnung sei jedoch mit den Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers vorzunehmen. Die zusammenveranlagten Ehegatten seien als ein Steuerpflichtiger zu behandeln. Unerheblich sei, dass die Beitragsrückerstattung nach § 3 Nr. 3 lit. b) EStG steuerfrei sei.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 13.6.2018, mit der die Kläger ihren Vortrag aus der Einspruchsbegründung wiederholen und vertiefen. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 3 lit. b) EStG setze systematisch voraus, dass es sich bei der Erstattung um eine steuerbare Einnahme handele. Die Zahlung könne aber nicht gleichzeitig Einnahme und zurückgezahlte Sonderausgabe sein. Selbst wenn die Zahlung genau den ursprünglich geleisteten Beiträgen entsprochen hätte, handele es sich um eine Leistung der Rentenversicherung, die nach § 3 Nr. 3 lit. b) EStG steuerfrei bleiben solle. Andernfalls wäre die Vorschrift überflüssig. Hilfsweise sei ein Rücktrag in die Altjahre erforderlich, um eine Überkompensation zu vermeiden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 23.4.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.5.2018 dahingehend zu ändern, dass die Erstattung von 2.782 € den Sonderausgabenabzug nicht mindert.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, die Berücksichtigung von Sonderausgaben setze eine endgültige wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen voraus. Hieran fehle es, wenn zunächst gezahlte Sonderausgaben später erstattet würden. Dabei komme es nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.1.2010 (X B 32/09) nicht darauf an, ob sich die erstatteten Beträge im Veranlagungszeitraum ihrer Verausgabung tatsächlich steuermindernd ausgewirkt hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Der Beklagte hat die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge zu Unrecht mit den geleisteten Altersvors...