Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer für Umsätze aus der Verpflegung von Heimbewohnern in Altenwohnheimen und Pflegeheimen
Leitsatz (redaktionell)
- Betreibt ein beauftragter Unternehmer in den von dem Auftraggeber betriebenen Altenwohn- und Pflegeheimen jeweils eine Großküche, in denen er die Speisen und Getränke für die Heimbewohner zubereitet, sind die Umsätze aus der Verpflegung der Heimbewohner als dem Regelsteuersatz unterliegende Dienstleistungen und nicht als dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegende Speiselieferungen zu behandeln, wenn er dem Auftraggeber zugleich das Mobiliar, Geschirr und Besteck für die Speiseneinnahme überlässt.
- Der Berücksichtigung der Mobiliar-, Geschirr- und Bestecküberlassung als weitere für die Annahme von Restaurationsumsätzen ausschlaggebende Dienstleistungselemente steht nicht entgegen, dass der beauftragte Unternehmer darüber hinaus das gesamte Inventar der jeweiligen Heime überlassen und damit umsatzsteuerrechtlich eine von der Versorgung der Heimbewohner mit Speisen und Getränken” zu unterscheidende eigenständige Leistung erbracht hat.
- Bei weitgehend übereinstimmenden Beteiligungsverhältnissen sind der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger als nahestehende Personen i. S. v. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG anzusehen und Leistungen zu nicht kostendeckenden Entgelten der Mindestbemessungsgrundlage zu unterwerfen.
- Die Anwendung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG setzt nicht voraus, dass die Absicht einer Steuerumgehung im konkreten Einzelfall nachgewiesen wird.
- Die Nichtveröffentlichung einer stillschweigend durch Fristablauf als erteilt geltenden Sonderermächtigung nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie steht der Anwendbarkeit der auf ihr beruhenden nationalen Regelung (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG) nicht entgegen.
Normenkette
UStG § 10 Abs. 4, 5 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 Anl. 1 Nr. 10; RL 388/77/EWG Art. 27
Streitjahr(e)
1999, 2000, 2001, 2002
Tatbestand
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren mehrere Altenwohn- und Pflegeheime. Sie ist aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom 13.12.2002 und der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister am 08.01.2003 als übernehmender Rechtsträger Gesamtrechtsnachfolger der AB Einkauf & Service GmbH – im Folgenden: EKS –.
In einem – nicht datierten – am 01.01.1999 beginnenden Rahmenvertrag verpflichtete sich die EKS gegenüber der Klägerin, die in den von der Klägerin betriebenen Altenwohn- und Pflegeheimen vollstationär untergebrachten Personen mit allen erforderlichen Speisen und Getränken zu versorgen und dabei die Speiseplanvorgaben der Klägerin einzuhalten. Die EKS hatte sämtliche Mahlzeiten mit eigenem Personal und eigener Kücheneinrichtung zuzubereiten und den Transport der Mahlzeiten und Getränke zu den Altenwohn- und Pflegeheimen durchzuführen. Die EKS verpflichtete sich außerdem, die für die vollstationär untergebrachten Personen erforderliche Bett- und Flachwäsche zu stellen und diese sowie die persönliche Wäsche der Heimbewohner zu reinigen, die mit dem Betrieb der Altenwohn- und Pflegeheime verbundenen Verwaltungstätigkeiten zu übernehmen und die Gebäude durch einen externen Dienstleister reinigen zu lassen. Weitere die Streitjahre betreffende schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der EKS existieren – wie der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – nicht. Gleichwohl hat die EKS gegenüber der Klägerin unstreitig noch weitere Leistungen erbracht; insbesondere hat die EKS der Klägerin die gesamte Einrichtung und Ausstattung der Altenwohn- und Pflegeheime überlassen.
Anlässlich einer die EKS betreffende und die Voranmeldungszeiträume I. Quartal 2000 bis III. Quartal 2001 umfassende Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 12.12.2003) traf der Prüfer u. a. folgende Feststellungen:
1. In den von der Klägerin betriebenen Altenwohn- und Pflegeheimen in A-Stadt, B-Stadt und C-Stadt habe die EKS jeweils eine Großküche betrieben und darin die Speisen für die Heimbewohner zubereitet. Die dort zubereiteten Speisen sowie Getränke seien dann in entsprechenden Behältnissen unportioniert auf die einzelnen Stationen der Heime transportiert worden. Ob der Transport durch Bedienstete der EKS oder der Klägerin erfolgt sei, habe nicht mehr festgestellt werden können. Auf den Stationen hätten sich Gemeinschaftsküchen befunden. Dort seien die Speisen und Getränke durch das betreffende Pflegepersonal der Klägerin portioniert und an die Heimbewohner ausgegeben worden. Geschirr und Besteck sei in diesen Gemeinschaftsküchen aufbewahrt und auch gespült worden. Die Einnahme der Mahlzeiten durch die Heimbewohner sei u. a. in den auf den Stationen befindlichen Gemeinschaftsaufenthaltsräumen erfolgt. Die Einrichtungsgegenstände sowohl der Gemeinschaftsküchen als auch der Gemeinschaftsaufenthaltsräume hätten sich im Eigentum der EKS befunden.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, bei dieser Sachlage habe die EKS die Umsätze aus der Verpflegung der Heimbewohner zu Unrecht dem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Die Leis...