vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragung der Steuerklassen III und V für eingetragene Lebenspartner
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Klage auf Änderung einer Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte ist als Verpflichtungsklage einzuordnen.
- Für die Klage einer Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auf eine Änderung der Steuerklasse ihrer Lebenspartnerin fehlt es an der erforderlichen Klagebefugnis.
- Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem LPartG begründet haben, sind von dem Gesetzeswortlaut des § 38b Abs.1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a) EStG nicht erfasst. Eine entsprechende Anwendung auf eingetragene Lebenspartnerschaften kommt mangels einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit nicht in Betracht.
- Einer eingetragenen Lebenspartnerin steht kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine Zuordnung in die Steuerklasse III zu. Dem Gesetzgeber stünden mehrere mögliche Handlungsalternativen zu Gebote, eine– möglicherweise – verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern zu beseitigen.
- Eine Aussetzung des Verfahrens zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit dieser Ungleichbehandlung ist mangels Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage nicht geboten.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1; 2. Alt.; FGO § 40 Abs. 2; EStG §§ 26, 26b, 32a Abs. 5, § 38b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Buchst. a, Nr. 5, § 52b Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerinnen, die seit dem 14.03.2008 nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG - verpartnert sind, haben ihren gemeinsamen Wohnsitz im Inland. Die Klägerin zu 1. erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die Klägerin zu 2. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Am 04.11.2010 beantragten die Klägerinnen bei dem Beklagten die Änderung ihrer Lohnsteuerklassen ab dem Jahr 2011. Die Lohnsteuerklasse der Klägerin zu 2. sollte von I in III und die Lohnsteuerklasse der Klägerin zu 1. von I in V geändert werden. Sie machten geltend, dass ihnen als eingetragene Lebenspartnerinnen nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 07.07.2009 (1 BvR 1164/07) und vom 21.07.2010 (Az. 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07) ein Anspruch auf vollumfängliche Gleichbehandlung mit Ehegatten zustehe. An diese Entscheidungen des BVerfG sowie an die tragenden Gründe der Beschlüsse seien die Gerichte und die Finanzverwaltung gemäß § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG - gebunden. Die Vorschriften über die Einteilung von Steuerklassen seien lückenhaft und dahingehend auszufüllen, dass bei Lebenspartnern die Regeln für Verheiratete anzuwenden seien. Die Verweigerung der einkommensteuerrechtlichen Gleichstellung von Lebenspartnern mit Eheleuten stelle unter Heranziehung der vorgenannten Rechtsprechung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - dar.
Mit Bescheid vom 16.12.2010 (Klägerin zu 1.) bzw. vom 21.12.2010 (Klägerin zu 2.) lehnte der Beklagte den Antrag ab. Er begründete seine Entscheidung damit, dass der begehrte Wechsel der Steuerklassen nur für Ehegatten möglich sei. Nur bei einer späteren Zusammenveranlagung oder getrennten Veranlagung sei der von den Klägerinnen begehrte Wechsel der Lohnsteuerklassen möglich; diese Veranlagungsarten stünden nach dem Gesetz jedoch nur Ehegatten zu. Für eine eingetragene Lebenspartnerschaft sei derzeit im Einkommensteuergesetz lediglich eine Einzelveranlagung und somit die Zuordnung zur Steuerklasse I möglich.
Dagegen legten die Klägerinnen, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, am 27.12.2010 Einspruch ein und verwiesen zur Begründung auf ihren bisherigen Vortrag. Sie erklärten, dass sie mit einem Ruhen des Einspruchsverfahrens im Hinblick auf anhängige Verfahren bei dem BVerfG nicht einverstanden seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23.05.2011 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin zu 2. als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass eine Einreihung in die Steuerklassen III und V nach dem geltenden Gesetzeswortlaut nur für verheiratete Ehegatten in Betracht komme. Lebenspartner seien keine Ehegatten i.S. der gesetzlichen Regelungen, so dass eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften ausscheide. Durch die Schaffung des neuen Personenstandes der Lebenspartnerschaft sei zwar bei den Vorschriften über die Steuerklassen eine Regelungslücke entstanden. Gleichwohl seien eingetragene Lebenspartner nach der Grundtabelle zu versteuern, weshalb sie - bis zu einer gesetzlichen Neuregelung - wie Ledige in die Lohnsteuerklasse I einzureihen seien. Eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Steuerklassen für Ehegatten komme nicht in Betracht, weil die Regelungslücke nicht planwidrig sei. Der Gesetzgeber habe die einkommensteuerliche Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern bewusst nicht geregelt.
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