Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch bei Erwerbstätigkeit in den Niederlanden – Antragstellung im Beschäftigungsstaat
Leitsatz (redaktionell)
- Der Kindergeldanspruch einer in den Niederlanden erwerbstätigen Grenzgängerin ist auch dann ausgeschlossen, wenn sie ihren in den Niederlanden bestehenden Anspruch auf Kindergeld nicht geltend gemacht hat.
- Differenzkindergeld ist nur zu gewähren, wenn der andere Elternteil für dasselbe Kind in dem Wohnland der Familie Kindergeld beanspruchen kann. Der Grenzgänger selbst hat im Wohnland keinen Anspruch auf Differenzkindergeld (entgegen Urteil des FG Münster vom 30. 4. 2009 11 K 998/06).
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
2005, 2006, 2007, 2008
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Tochter B, geb. 1994, im Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2008. Die Klägerin war im fraglichen Zeitraum in den Niederlanden nichtselbständig tätig. Der – ebenso wie die Klägerin und die Tochter B – in Z-Stadt lebende Vater des Kindes arbeitete bis September 2007 im Inland. Seit September 2007 lebt die Klägerin getrennt von ihrem Ehemann; seit Mai 2009 ist sie geschieden. Seit dem 1. 1. 2009 ist sie nicht mehr in den Niederlanden tätig.
Am 7. 2. 2008 teilte sie der Familienkasse mit, dass sie und ihr Ehemann bei einer holländischen Firma arbeiteten; sie bat um Information bezüglich des Kindergeldes. In der Folgezeit teilte sie mit, dass sie seit dem 24. 5. 2005 in Y-Stadt, Holland, arbeite, und übersandte einen Bescheid der Sociale Verzekeringsbank (SVB) vom 1. 7. 2008, wonach ihr für das Kind ab dem ersten Quartal 2008 271,70 EUR kinderbijslag pro Quartal gewährt wurden.
Die Familienkasse teilte am 6. 3. 2009 mit, für die Zeit von Juli 2005 bis Januar 2008 habe kein Anspruch auf Kindergeld bestanden. Da der Vater bis September 2007 in Deutschland gearbeitet habe, könne er den vorrangigen Anspruch für die Zeit von Juli 2005 bis September 2007 stellen und sich mit der Verrechnung der Überzahlung mit dem Nachzahlungsbetrag einverstanden erklären.
Am 19. 6. 2009 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für Juli 2005 bis Dezember 2008 auf. Das überzahlte Kindergeld für die Zeit von Juli 2005 bis Januar 2008 iHv 4.774 EUR wurde zurückgefordert. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, den die Familienkasse am 30. 11. 2009 zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin unterliege den Kindergeldregelungen des Beschäftigungslandes.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin trägt vor,
der Kindsvater habe am 18. 3. 2009 Kindergeld für die Tochter beantragt. Diesem Antrag hätte die Behörde stattgeben und zugleich auf eine Rückforderung verzichten müssen. Sie habe in der Zeit von Juli 2007 bis Dezember 2007 in den Niederlanden kein Kindergeld erhalten. Erst im Januar 2008 habe sie erfahren, dass sie Anspruch auf niederländisches Kindergeld habe, was dann sofort beantragt und ab Januar 2008 bewilligt worden sei. Ab Januar 2008 stehe ihr aber im Inland das Differenzkindergeld zu. Auf die Entscheidung des FG Münster vom 30. 4. 2009 11 K 998/06 Kg und das beim BFH anhängige Revisionsverfahren III R 51/09 werde hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 19. 6. 2009 idF der Einspruchsentscheidung vom 30. 11. 2009 der Klägerin Kindergeld in der Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2007 volles Kindergeld und für Januar bis Dezember 2008 Differenzkindergeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor:
Die Klägerin habe für den gesamten Zeitraum einen Anspruch auf niederländisches Kindergeld gehabt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den streitigen Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2008 aufgehoben und das Kindergeld zurückgefordert. Der Klägerin steht für diesen Zeitraum kein Kindergeld im Inland zu.
Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat für Kinder iSv § 63 EStG Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin.
Ob und in welcher Höhe der Klägerin für ihre Tochter Kindergeld zusteht, richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften der Verordnung (EWG) 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (konsolidierte Fassung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – AblEG – Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1) und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 (VO Nr. 574/72) des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (konsolidierte Fassung, AblEG Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1), da das Kindergeld in den sachlichen Geltungsbereich der Vorschrift fällt (vgl. BFH Urteil vom 13.8.2002 VIII R 54/00, BFHE 200, 204, BStBl 2002,869) und die Klä...