Entscheidungsstichwort (Thema)
Tabaksteuer: Aussetzung der Vollziehung - Haftung für Tabaksteuern
Leitsatz (amtlich)
1. Haftungsschuldner gemäß § 71 AO kann auch derjenige sein dessen Steuerschuldnerschaft nicht sicher ausgeschlossen werden kann.
2. Da diese Rechtsprechung des Senats aktuell im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der überwiegenden Literatur steht liegt eine rechtliche Unsicherheit vor die eine Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids rechtfertigt.
Normenkette
TabStG § 23 Abs. 1; AO §§ 71, 191, 374; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids über Tabaksteuer.
Polizeibeamte fanden am 18.11.2016 bei der Durchsuchung eines vom Eigentümer nicht genutzten Wohnhauses in ... A (OT B) 973.160 Stück gefälschte Zigaretten. Erkenntnisse zum Herstellungsort oder zum Beförderungsweg der Zigaretten und den daran beteiligten Personen liegen nicht vor. Nachdem Zeugen erklärt hatten, dass das Haus vom gegenüber wohnenden Antragsteller regelmäßig genutzt worden sei und dieser auch die Schlüsselgewalt über das Objekt besitze, erließ der Antragsgegner am 15.08.2017 einen Haftungsbescheid über Tabaksteuer i. H. v. ... € (XXX). Für die sichergestellten Zigaretten sei die Tabaksteuer nicht über Steuerbanderolen entrichtet worden. Die Steuer sei im Fall der Einfuhr der Zigaretten durch ihre Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr und im Fall des Verbringens durch den erstmals zu gewerblichen Zwecken gehaltenen Besitz der Tabakwaren entstanden. Steuerschuldner sei der unbekannte Dritte, der einen der Entstehungstatbestände verwirklicht habe. Der Antragsteller hafte als Steuerhehler für die vom Steuerschuldner hinterzogene Tabaksteuer. Er sei zwar nicht Eigentümer, aber regelmäßiger Nutzer der Lagerstätte. Damit habe er auch die Sachherrschaft über die zum Weiterverkauf bestimmten Zigaretten besessen.
Gegen den Haftungsbescheid legte der Antragsteller am 15.09.2017 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er habe das Wohnhaus nicht genutzt und mit den sichergestellten Zigaretten nichts zu tun.
Mit Bescheid vom 13.11.2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids seien nicht gegeben. Die Zigaretten seien in unzulässiger Weise ohne Verwendung deutscher Steuerzeichen entweder aus einem anderen Mitgliedstaat der EU zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht oder aus einem Drittland eingeführt worden. Mit dem Verbringen bzw. der Einfuhr sei die Tabaksteuer entstanden. Steuerschuldner sei, wer nach den Zollvorschriften verpflichtet gewesen sei, die Tabakwaren anzumelden bzw. jede andere an der unrechtmäßigen Einfuhr beteiligte Person (§ 21 Abs. 2 Satz 1 TabStG) bzw. im Fall der Verbringung, wer die Lieferung vorgenommen oder die Tabakwaren in Besitz gehalten habe und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt habe (§ 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG). Es lasse sich nicht ermitteln und erscheine auch unwahrscheinlich, dass der Antragsteller an der unrechtmäßigen Einfuhr oder der Verbringung beteiligt gewesen sei. Die Gesamtumstände deuteten darauf hin, dass er die Zigaretten in Deutschland in Besitz genommen habe. Daher scheide seine Inanspruchnahme als Tabaksteuerschuldner aus. Zwar könne eine Steuerschuldnerschaft nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG für den Fall der Verbringung nachgewiesen werden, nicht aber eine Steuerschuldnerschaft nach § 21 Abs. 2 Satz 1 TabStG für den Fall der Einfuhr. Die bislang nicht ermittelte Person des Einführers bzw. Verbringers habe sich jedoch der Steuerhinterziehung strafbar gemacht. Daher sei der Antragsteller als Steuerhehler gemäß § 71 AO als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Die Zigaretten hätten sich in seinem Besitz befunden. Seine Einlassung sei als Schutzbehauptung zu werten.
Der Antragsteller hat am 18.12.2017 einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Zur Begründung verweist er auf sein außergerichtliches Vorbringen.
Der Antragsteller beantragt,
die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids vom 15.08.2017 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung seines Antrags verweist der Antragsgegner auf seine Ausführungen im Bescheid vom 13.11.2017.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakte des Antragsgegners verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen hat.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids über Tabaksteuer vom 15.08.2017 hat Erfolg.
Der Antrag gem. § 69 Abs. 3 FGO ist zulässig und begründet. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende G...