Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausfuhrerstattung: Vorabentscheidungsersuchen

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Setzt die für den Beginn der Verjährungsfrist nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 erforderliche und in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 definierte Unregelmäßigkeit in einem Fall, in dem der Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung erst nach Eintritt eines Schadens aufgedeckt wurde, neben einer Handlung oder Unterlassung des Wirtschaftsteilnehmers kumulativ voraus, dass ein Schaden für den Gesamthaushalt der Union oder die Haushalte, die von der Union verwaltet werden, bewirkt worden ist, so dass die Verjährungsfrist erst ab Schadenseintritt zu laufen beginnt, oder beginnt die Verjährungsfrist unabhängig vom Zeitpunkt des Schadenseintritts bereits mit der Handlung oder Unterlassung des Wirtschaftsteilnehmers, die sich als Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung darstellt?

2. Sofern auf Frage 1. geantwortet wird, dass die Verjährungsfrist erst mit Eintritt des Schadens beginnt: Liegt - im Zusammenhang mit der Rückforderung endgültig gewährter Ausfuhrerstattung - ein Schaden i. S. v. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 bereits vor, wenn einem Ausführer ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag i. S. v. Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 gezahlt worden ist, ohne dass die Sicherheit nach Art. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 bereits freigegeben worden wäre, oder liegt ein Schaden erst im Zeitpunkt der Freigabe der Sicherheit bzw. endgültigen Gewährung der Ausfuhrerstattung vor?

 

Normenkette

EGV 2988/95 Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 06.10.2015; Aktenzeichen C-59/14)

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausfuhrerstattung.

In den Jahren 1992 und 1993 lagerte die Klägerin verschiedene Sendungen Rindfleisch in ihr Erstattungslager ein. Antragsgemäß gewährte ihr das beklagte Hauptzollamt im Wege der Vorfinanzierung mit mehreren Bescheiden aus den Jahren 1992 bzw. 1993 einen der Ausfuhrerstattung entsprechenden Betrag gegen Sicherheitsleistung.

Mit Schreiben vom 10.08.1993 übersandte die Klägerin u. a. die jordanische Zollerklärung Nr. 79/... vom 09.03.1993 zwecks Abfertigung der Waren zum freien Verkehr. Diese jordanische Zollerklärung bescheinigte die Abfertigung der Ausfuhrsendung am 09.03.1993. Der Beklagte erkannte die Unterlagen als Nachweis für die Überführung der Ausfuhrerzeugnisse in den freien Verkehr des Bestimmungsdrittlandes an und gab in der Folge die Sicherheiten aus Gründen, die für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant sind, erst am 30.04.1996 bzw. 04.03.1998 frei.

Anlässlich einer Missionsreise des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 28.02. bis zum 14.03.1998 wurde festgestellt, dass jordanische Zollpapiere in vielen Fällen nicht die Entrichtung der Eingangsabgaben und die Überführung des Fleisches in den freien Verkehr Jordaniens nachwiesen. Stattdessen wurden die Papiere vor Erhebung der Abgaben storniert und die entsprechenden Waren tatsächlich im Transit bzw. Re-Export-Verfahren in den Irak befördert. In Bezug auf den Streitfall ergaben die Ermittlungen, dass die Zollerklärung Nr. 79/... vom 09.03.1993 storniert und durch die Zollerklärung Nr. 670/... vom 11.03.1993, die eine Abfertigung der Ware aus der Freizone A (Jordanien) in den Irak auswies, ersetzt worden war.

Mit Bescheid vom 23.09.1999 forderte das beklagte Hauptzollamt daraufhin die der Klägerin gewährte Ausfuhrerstattung in Höhe von 202.017,46 DM (= 103.289,89 €) zurück.

Ihrem gegen den Rückforderungsbescheid eingelegten Einspruch half das beklagte Hauptzollamt aus vorliegend zu vernachlässigenden Gründen mit Bescheid vom 26.09.2011 teilweise ab, wodurch sich der Rückforderungsbetrag auf 59.545,70 € verringerte. Im Übrigen wies das beklagte Hauptzollamt den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 23.01.2012 zurück.

Mit ihrer am 15.02.2012 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie - soweit für das Vorabentscheidungsersuchen relevant - vor, der Rückforderungsanspruch sei verjährt. Die Frist des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2988/95 laufe ab Begehung der Unregelmäßigkeit und nicht erst ab Freigabe der Sicherheit. Ausdrücklich knüpfe Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 2988/95 den Tatbestand einer Unregelmäßigkeit an eine Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers. Im Streitfall könne daher nur auf die Vorlage der jordanischen Verzollungsbescheinigung abgestellt werden. Die Vorlage der jordanischen Verzollungsbescheinigung hätte für den Gemeinschaftshaushalt insofern einen Schaden bewirkt, als sie - die Klägerin - mit der Vorfinanzierung einen ihrem Erstattungsanspruch entsprechenden Betrag tatsächlich erhalten habe und der Unionshaushalt mit diesem Betrag belastet worden sei. Damit wäre ein Schaden entstanden, sofern der Erstattu...

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