Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Erstattung von Einfuhrabgaben - Reichweite der Rechtskraft einer abgewiesenen Anfechtungsklage für ein Erstattungsbegehren
Leitsatz (amtlich)
1. Auf Einfuhren, die vor dem 01.05.2016 stattfanden, finden die materiellrechtlichen Erstattungsvorschriften des Zollkodex (Art. 236, 239) Anwendung. Sofern das Verwaltungsverfahren vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, finden auch die verfahrensrechtlichen Erstattungsvorschriften des Zollkodex Anwendung.
2. Wurde eine Anfechtungsklage gegen einen Einfuhrabgabenbescheid rechtskräftig abgewiesen, steht gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO zwischen den Beteiligten fest, dass die Zollschuld, die mit diesem Einfuhrabgabenbescheid erhoben wurde, gesetzlich geschuldet ist im Sinne von Art. 236 ZK, sofern im Rahmen des Erstattungsverfahrens kein im wesentlichen neuer Sachvortrag erfolgt.
3. Organisationsverschulden im Sinne von Art. 239 Abs. 1, 2. Anstrich ZK liegt vor, wenn ein rasch wachsendes Unternehmen über mehrere Jahre seiner Abrechnungspflicht nach Art. 521 ZKDVO nicht nachkommt und sodann über acht Monate keine ausreichenden Anstrengungen unternimmt, um die Zollabteilung in einer Weise auszustatten, dass die Abrechnungen fristgerecht vorgenommen werden können.
Normenkette
FGO §§ 101, 110 Abs. 1 Nr. 1; ZK Art. 236, 239, 204; ZKDV Art. 900 Abs. 1, Art. 905 Abs. 1; UZK Art. 86 Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Zoll und Ausgleichszinsen für wieder ausgeführte Veredelungswaren.
Die Klägerin führt Früchte und Fruchtsaftkonzentrate aus Drittländern ein und verarbeitet diese. Hierzu wurden ihr im hier maßgeblichen Zeitraum 28 Veredelungsverkehre, mehrere Umwandlungsverfahren für verschiedene Saftkonzentrate sowie zahlreiche Verfahrensvereinfachungen (Anschreibeverfahren, Zugelassener Empfänger, Zugelassener Versender) bewilligt.
Hinsichtlich der Veredelungsverkehre war die Klägerin grundsätzlich verpflichtet, die Einfuhrabgaben selbst zu berechnen und die Abrechnung spätestens 30 Tage nach Ablauf der Frist für die Beendigung des Verfahrens der Überwachungszollstelle vorzulegen. Ab dem 01.10.2003 wurde die Frist für die Beendigung der Veredelungsverkehre auf den letzten Tag des auf die Überführung der Einfuhrwaren folgenden 4. Quartals verlängert. Dadurch hätten erstmals zum 31.12.2004 die Veredelungsverkehre abgerechnet werden müssen. Am 11.03.2005 übergab der Beklagte der Klägerin, die nach ihrem Vortrag bis dahin die Abrechnungen nie selbst habe vornehmen müssen, Muster für die Erstellung der Abrechnungen.
Mit Schreiben vom 20.10.2006 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er festgestellt habe, dass nach dem 31.12.2004 keine Abrechnungen abgegeben worden seien. Er wies darauf hin, dass die Nichtabgabe der Abrechnungen zur Entstehung einer Zollschuld für alle sich in den Veredelungsverkehren befindlichen Waren führe. Die Klägerin erhielt Gelegenheit, die Abrechnungen unverzüglich nachzuholen. Ihr wurde eine Frist bis zum 10.11.2006 gewährt, um eine rückwirkende Fristverlängerung für die Vorlage der Abrechnungen zu beantragen.
Hierauf antwortete die Klägerin nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit Schreiben vom 14.11.2006 und beantragte eine rückwirkende Fristverlängerung bis zum 20.11.2006 für die Abrechnung der Veredelungsverkehre. Sie wies darauf hin, dass sie seit Juli 2005 versucht habe, einen Ersatz für eine in Mutterschutz gegangene Zollsachbearbeiterin zu finden.
Nachdem die daraufhin vorgelegten Abrechnungen den Anforderungen des Beklagten nicht entsprachen, verlängerte der Beklagte mit Schreiben vom 16.01.2007 die Abrechnungsfrist für die Veredelungsverkehre aus dem Jahr 2005 letztmalig bis zum 02.03.2007. Weitere Fristverlängerungen kämen nicht in Betracht. Bei künftigen Pflichtverletzungen sei der Beklagte gehalten, für die abzurechnenden Waren Abgabenbescheide zu erstellen.
In der Zeit vom 26.02.2007 bis 16.03.2007 führte das Hauptzollamt A eine Zollprüfung bei der Klägerin durch (...).
Nachdem der Beklagte die Abrechnung für die Zugänge bis Ende 2005 nach Korrekturen der Klägerin am 10.05.2007 akzeptiert hatte, teilte er der Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2007 mit, dass die zum 30.04.2007 fällige Abrechnung für die Zugänge des 1. Quartals 2006 noch nicht vorgelegt worden sei. Die Klägerin erhielt Gelegenheit bis zum 20.06.2007 Stellung zu nehmen. Sollte dieser Termin wieder unentschuldigt versäumt werden oder die Begründung für eine nochmalige Fristverlängerung nicht ausreichen, müssten Abgaben erhoben werden. Da die Klägerin darauf nicht reagierte, setzte der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 04.07.2007 Einfuhrabgaben für das 1. Quartal 2006 in Höhe von ... € fest. Am 10.07.2007 gab die Klägerin die Abrechnung für das 1. Quartal 2006 ab. Zur Begründung der Verspätung gab Frau B, Zollsachbearbeiterin der Klägerin, an, dass eine "Geschäftsprüfung" durch den Prüfdienst stattgefunden habe und sie die Abrechnung...