Nichtzulassungsbeschwerde (BFH V B 120/11)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerfreiheit für Arbeitnehmerüberlassung im Bereich von Pflegeeinrichtungen und Altenheimen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Überlassung von qualifizierten Pflegekräften an Einrichtungen zur Betreuung und Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen stellt selbst keine Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG dar.
2. Eng verbundene Leistungen i. S. d § 4 Nr. 16 UStG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL liegen vor, wenn diese tatsächlich als Nebenleistungen zu einer die Hauptleistung darstellenden Betreuungs- oder Pflegeleistung erbracht werden
Normenkette
UStG § 4 Nr. 16; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin erbrachte Leistungen gemäß § 4 Nr. 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerfrei sind.
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründet. Gemäß § 2 dieses Vertrages ist der Gegenstand des Unternehmens die Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Die Gesellschaft ist berechtigt, alle hiermit in Zusammenhang stehenden Geschäfte vorzunehmen, soweit sie der Gesellschaft dienlich sind und keine rechtlichen Gründe dagegen stehen. Gesellschafter der Klägerin sind die Herren A und B.
Im Streitjahr - wie auch seit ihrer Gründung - betrieb die Klägerin die Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich im Bereich der Altenpflege mit dem Schwerpunkt auf Behandlungspflege. Als Zeitarbeitsfirma verleiht sie bei ihr angestellte Pflegefachkräfte, bestehend aus Krankenpflegern und Krankenschwestern sowie Altenpflegern und Altenpflegerinnen, an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen i. S. v. § 4 Nr. 16 UStG. Die Arbeitnehmer der Klägerin sind organisatorisch in die jeweilige Pflegeeinrichtung eingegliedert. Sie führen die Pflegeleistungen im Auftrag dieser Einrichtung durch und sind insoweit weisungsgebunden. Die Dienst- und Fachaufsicht über die Tätigkeit der Leiharbeitnehmer/-innen obliegt ebenfalls der betreffenden Pflegeeinrichtung.
Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat September 2010 vom 18.10.2010 setzte der Beklagte die Umsatzsteuervorauszahlung für diesen Monat auf ... € fest. Er berücksichtigte dabei steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... €. Der Beklagte legte die von der Klägerin ermittelten Bruttoumsätze von ... € zu Grunde und errechnete die Nettoumsätze in Höhe von ... €.
Mit Schreiben vom 08.11.2010 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Am 17.11.2010 hat die Klägerin Sprungklage erhoben. Am 16.12.2010 hat der Beklagte der Sprungklage zugestimmt. Am 10.02.2011 hat die Klägerin den Einspruch gegen den Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung für September 2010 zurückgenommen.
Mit Bescheid vom 12.10.2011 hat der Beklagte die Umsatzsteuer für 2010 auf ... € festgesetzt. Am 14.10.2011 hat die Klägerin hiergegen Einspruch eingelegt.
Die Klägerin trägt vor: Sie befasse sich satzungsgemäß ausschließlich mit der Bereitstellung examinierter Pflegekräfte zur Betreuung von alten und kranken Menschen in sozialen Einrichtungen (ambulante Pflegeeinrichtungen/Krankenhäuser und Altenheime). Hierauf sei ihre Tätigkeit kraft ihres Gesellschaftsvertrages "beschränkt". Sie, die Klägerin, sei als Zeitarbeitsfirma ausschließlich im Bereich der Alten- und Krankenpflege in Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG tätig; ihre Tätigkeit erfolge damit ausschließlich in staatlich anerkannten sozialen Einrichtungen, die sämtlich ihrerseits von der Umsatzsteuer befreit und somit nicht vorsteuerabzugsberechtigt seien. Die Befreiung dieser Einrichtungen beziehe sich auch auf deren Aufwendungen für Personal. Sie, die Klägerin, decke für diese Einrichtungen saisonale und strukturelle Personalengpässe bei der pflegerischen Betreuung von alten und kranken Menschen ab. Sie, die Klägerin, habe einen Anspruch auf Befreiung von der Umsatzsteuer gemäß § 4 Nr. 16k UStG und Art. 132 Abs. 1 g) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Denn sie erbringe ihre Leistungen ausschließlich in Einrichtungen, in denen mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe sowie anderen öffentlichen Versorgungsträgern finanziell übernommen würden. § 4 Nr. 16 k UStG sei dahin auszulegen, dass es keineswegs nur um Einrichtungen gehe, die unmittelbar ihre Leistungen von den öffentlichen Versorgungsträgern erhielten. Das Gesetz spreche lediglich davon, dass die Vergütung letztlich von den öffentlichen Versorgungsträgern zu dem entsprechenden Prozentsatz getragen werden müsse. Dies sei vorliegend der Fall. Die öffentlichen Versorgungsträger erstatteten den unmittelbaren Einrichtungen auch die Personalkosten einschließlich derjenigen Kosten, die sie, die Klägerin, in Rechnung stelle....