Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertpapiere im gewillkürten Betriebsvermögen einer Rechtsanwaltssozietät
Leitsatz (amtlich)
Wechselt die Zuständigkeit auf Beklagtenseite durch einen behördlichen Organisationsakt nach Erlass der Einspruchsentscheidung, aber vor Klageerhebung, so ist die Klage gegen das neu zuständig gewordene Finanzamt zu richten.
Bildet eine Rechtsanwaltssozietät eine Liquidationsreserve, die ausschließlich Büroinvestitionen dienen soll, kann sie die dieser Reserve zugeführten Mittel auch in gängigen und nicht verlustgeneigten Aktien oder Fondsanleihen anlegen, ohne dass dadurch der betriebliche Förderungszusammenhang gelöst würde.
Die Widmung der Wertpapiere zum gewillkürten Betriebsvermögen ist ausreichend dokumentiert, wenn ein sachverständiger Dritter - wie z.B. ein Betriebsprüfer - sie ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen erkennen kann. Der Steuerpflichtige braucht nicht bei Abgabe der Steuererklärung auf die Bildung von Betriebsvermögen hinzuweisen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Verlusten aus der Veräußerung von Wertpapieren als Betriebsausgaben.
Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Gesellschafter sind die Rechtsanwälte P und R. Die Klägerin ermittelt ihre Einkünfte durch Einnahmenüberschussrechnung.
Am 12.04.2002 reichte die Klägerin beim Finanzamt Hamburg-1 die Feststellungserklärung für 2001 ein, in der ein Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von DM 331.565,- erklärt war. In der gleichzeitig eingereichten Einnahmenüberschussrechnung war bei den Betriebsausgaben eine Position "Sonstige Aufwendungen" in Höhe von DM 19.193,45 enthalten.
Das Finanzamt Hamburg-1 führte die Veranlagung mit Bescheid vom 13.05.2002 zunächst erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, durch, und bat u.a. um Erläuterung der genannten Position. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 24.07.2002 mit, dass es sich hierbei um Kursverluste aus Wertpapierverkäufen handele, und fügte Jahreskontoauszüge der Buchungskonten "O", "Sonstige Wertpapiere" und "Festgeld" (Gewinnfeststellungsakten - GewFA - Bl. 153 ff.) bei, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Das Finanzamt Hamburg-1 änderte daraufhin am 29.03.2004 den Feststellungsbescheid und erkannte Bewirtungsaufwendungen sowie den Verlust aus der Veräußerung der Wertpapiere nicht an (festgestellte Einkünfte aus selbständiger Arbeit: DM 351.851,36) mit der Begründung, der Veräußerungsverlust sei mangels betrieblichen Zusammenhangs keine Betriebsausgabe. Außerdem seien die Wertpapiere im Anlagenverzeichnis nicht aufgeführt worden.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 08.04.2004 Einspruch gegen den Änderungsbescheid ein. Die Wertpapiere seien nicht eingelegt, sondern aus betrieblichen Mitteln angeschafft worden und daher von Beginn an Betriebsvermögen gewesen. Sie hätten als Liquiditätsrücklage für schlechte Zeiten gedient. Im Anlagenverzeichnis seien nur Sachanlagen erfasst worden. Aus den - beigefügten - Kapitalkontenentwicklungen gehe der Ausweis als Betriebsvermögen aber ebenso eindeutig hervor wie aus dem Umstand, dass der gesamte Schriftverkehr bzgl. des Wertpapierdepots an die Klägerin adressiert worden sei.
Das Finanzamt Hamburg-1 wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19.09.2005 als unbegründet zurück. Der Erwerb und das Halten der Wertpapiere seien nicht als Teil der Tätigkeit als Rechtsanwalt anzusehen, weil hierfür der spezifisch betriebliche Bezug fehle. Der Vortrag der Klägerin, sie habe Liquiditätsreserven schaffen wollen, genüge insoweit nicht, da der Kauf von starken Kursschwankungen unterliegenden Wertpapieren hierfür kein übliches und leicht nachvollziehbares Mittel sei.
Hiergegen richtet sich die am 17.10.2005 bei Gericht eingegangene und gegen den Beklagten gerichtete Klage.
Die Klägerin trägt vor, sie habe in den Boomjahren der Börse aus der laufenden Liquidität ab 1999 Liquiditätsreserven in Form von gängigen Aktien und Fonds für Bürorenovierung und Ersatzinvestitionen gebildet und im Betriebsvermögen gehalten. Auch in der Zeit davor habe sie Liquidität angespart, aber auf einem Festgeldkonto angelegt. Wegen der zunächst positiven Börsenentwicklung sei der Entschluss gefasst worden, das Geld in Aktien zu investieren. Im Jahr 1999 seien zunächst nur Aktien der D AG angeschafft worden, später auch andere. Nach Veräußerung der Wertpapiere habe die Klägerin die angesparten Beträge - regelmäßig monatlich DM 1.000 bzw. EUR 500 - wieder in Geldmarktfonds und Ähnlichem angelegt. Die übrige, auf dem Girokonto angesammelte Liquidität habe für Steuerzahlungen, sonstige Ausgaben und Entnahmen gedient, nicht jedoch für Ersatzinvestitionen. Die Gesellschafter hätten verabredet, grundsätzlich keine Leasing- oder Mietverträge abzuschließen. Daher fielen des Öfteren Investitionen für Ersatzbeschaffungen in beträchtlicher Höhe an, so etwa für einen neuen Teppich, eine neue Computeranlage, eine neue Telefonanlage oder ...