Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme eines Entrichtungsschuldners durch Steuerbescheid, Steuerbefreiung bei Reiseversicherungspaketen
Leitsatz (amtlich)
- Ein Steuerentrichtungschuldner kann bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Steueranmeldung durch Steuerbescheid (Nachforderungsbescheid) in Anspruch genommen werden. Materiell-rechtlich handelt es sich nicht nur um die Geltendmachung einer Entrichtungschuld, sondern um die eines Haftungsanspruchs mit der Folge, dass die tatbestandlichen Erfordernisse der Haftungsnorm vorliegen müssen.
- Eine Befreiung von der Versicherungsteuer kann nur gewährt werden, wenn das Entgelt ausschließlich für eine nach § 4 Nr. 5 VersStG steuerbefreite Versicherung geleistet wird. Das Versicherungsteuerrecht erlaubt nicht eine nachträgliche Aufteilung des Entgelts auf mehrere versicherte Risiken.
- Es ist an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob ein einheitliches Versicherungsverhältnis oder eine Bündelung mehrerer Versicherungsverträge vorliegt. Bei den von der Klägerin angebotenen Reiseversicherungspaketen handelt es sich um ein einheitliches Versicherungsverhältnis.
Normenkette
AO §§ 155, 167; VersStG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 5, §§ 7-8
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Krankenversicherung, die Bestandteil von Reiseversicherungspakten ist, von der Versicherungsteuer ausgenommen ist.
Die Klägerin vertreibt seit Anfang der achtziger Jahre Reiseversicherungspakete, die in unterschiedlichen Zusammenstellungen folgende Versicherungen enthalten: Reiserücktrittskostenversicherung, Reiseabbruchversicherung, Reisekrankenversicherung (bei Auslandsreisen), Notfallversicherung (für Beistandsleistungen), Reiseunfallversicherung, Reisehaftpflichtversicherung und Reisegepäckversicherung. Entsprechend der individuellen Zielgruppe und deren Bedürfnissen werden die jeweiligen Leistungsinhalte eines Versicherungspakets bestimmt und das jeweilige Risiko kalkuliert. Der Kunde (Versicherungsnehmer) kann zwischen verschiedenen Leistungszusagen im Rahmen feststehender Paketangebote auswählen. Im Rahmen der Leistungsbeschreibung werden die jeweiligen Versicherungszweige, die Bestandteil des Reiseversicherungspakets sind, separat erläutert. Die Versicherungsbedingungen unterteilen sich in einen allgemeinen Teil A und einen besonderen Teil B, der die spezifischen Bedingungen zu den einzelnen Versicherungsteilen enthält. Für das angebotene Leistungspaket ist eine Gesamtprämie zu zahlen. Der Gesamtpreis des Versicherungspakets basiert nach Angaben der Klägerin auf einer Kalkulation der einzelnen Prämien für jede Versicherungssparte unter Berücksichtigung der spezifischen Risikofaktoren. Die Prämien für die verschiedenen Leistungszusagen werden im Rahmen gesonderter Spartenerfolgsrechnungen buchhalterisch voneinander getrennt erfasst. Ein Risikoausgleich zwischen den unterschiedlichen Sparten ist wegen des Gebots der Spartentrennung unzulässig und erfolgt nicht.
In den monatlichen Versicherungsteueranmeldungen hatte die Klägerin die Reiseversicherungspakete nach dem Inhalt der Versicherung qualifiziert und die auf die Krankenversicherung entfallenden Prämienanteile nach § 4 Nr. 5 Versicherungsteuergesetz (VersStG) als versicherungsteuerfrei behandelt. Diese versicherungsteuerrechtliche Behandlung der Reiseversicherungspakete wurde erstmalig im Rahmen einer am 17.05.2005 begonnenen Außenprüfung für den Zeitraum 2001 bis 2004 beanstandet. Mit Schreiben vom 12.07.2005 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass es sich bei den Reiseversicherungspaketen um ein einheitliches Versicherungsverhältnis handle mit der Folge, dass eine Steuerbefreiung nach § 4 VersStG für Teilbeträge des Versicherungsentgelt nicht in Betracht komme.
Aufgrund einer mit dem Beklagten abgestimmten verfahrensrechtlichen Vorgehensweise teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 19.07.2007 mit, dass in der Versicherungssteuer-Voranmeldung für Januar 2001 die in den Reiseversicherungspaketen enthaltenen Krankenversicherungsanteile als steuerfrei beurteilt worden seien. An dieser Beurteilung werde festgehalten. Bei einer Behandlung der Krankenversicherungsanteile als versicherungsteuerpflichtig ergäben sich zu versteuernde Beträge von insgesamt 3.186.716,57 DM. Die Steuer wäre um 93.774,50 DM (47.946,14 €) höher auf 415.212,60 DM festzusetzen.
Der Beklagte erließ daraufhin am 25.07.2007 einen Versicherungsteuerbescheid für Januar 2001 und setzte die Steuer um 47.946,14 € höher auf insgesamt 212.294,83 € fest.
Hiergegen wendete die Klägerin sich mit einer am 23.08.2007 erhobenen Sprungklage, die nach Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 09.10.2007 wegen fehlender Zustimmung des Beklagten gemäß § 45 Abs. 1 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln war. Mit Einspruchsentscheidung vom 12.02.2008 wies der Beklagte den Einspruch ...