Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbilanzrecht: Pauschalierte Rückstellung für Kreditrisiken
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit nicht steuerrechtliche Besonderheiten entgegenstehen, sind die für Kapitalgesellschaften und andere Kaufleute im HGB gleichermaßen geregelten handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auch im Steuerrecht konform der Bilanzrichtlinie auszulegen; gemäß EuGH sind ergänzend die IAS - jetzt IFRS - i.d.F. des Streitjahrs heranzuziehen (Vorabentscheidung vom 7. Januar 2003 C 306/99 "BIAO").
2. Bei drohenden Verlusten aus schwebenden Auslandskrediten kommen neben Bonitäts- auch Länderrisiken in Betracht.
3. Bei Avalverbindlichkeiten sind Rückstellungen im Umfang einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme zu bilden.
4. Risiken sind pauschaliert zu berücksichtigen, wenn sie zwar nicht im Einzelfall, aber in der Gesamtbetrachtung überwiegend wahrscheinlich sind.
5. Eine Rückstellung für ein Risiko ist auch dann zu bilden, wenn dieses bereits bei Eingehung des Vertrags vorhanden und wesentlich höher ist als das Vertragsentgelt.
6. Gemäß EuGH ist die Kredittilgung zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellung kein wertaufhellendes, sondern nur ein wertänderndes nachträgliches Ereignis des Folgejahrs (o.a. Vorabentscheidung).
7. Bei relativ unbedeutenden Bilanzpositionen erstreckt sich der Wertaufhellungszeitraum nicht bis zum Tag der Bilanzaufstellung, sondern nur bis zum Zeitpunkt der Bewertung der betreffenden Bilanzposition oder Sachgruppe.
Normenkette
Bilanzrichtlinie Art. 2, 14, 19-20, 31, 39, 42; EStG §§ 5-6, 15, 49; GewStG §§ 2, 7; HGB §§ 13d, 238, 242, 249, 251 ff., §§ 264, 268, 289; KStG § 8; KWG § 53
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Rückstellung für die Risikounterbeteiligung der Klägerin an einem von einem anderen Kreditinstitut herausgegebenen Auslandsdarlehen.
I. SACHSTAND
Die in Paris ansässige und inzwischen in Liquidation befindliche Klägerin hatte sich als Bank auf das Auslandsgeschäft spezialisiert, insbesondere auf Kredite in Entwicklungsländer.
Dasselbe galt für die rechtlich unselbständige Niederlasssung der Klägerin in Hamburg, die hier unter der Kurzbezeichnung BA-Bank als Kreditinstitut tätig war und für diesen Betriebsstättenbereich bilanzierte.
Bei ihr ist die Rückstellung für die Risikounterbeteiligung an einem von der ... Bank (B) herausgegebenen achtstelligen Kredit streitig. Dieser unterlag der Anzeigepflicht und der Risikokontrolle durch die Bankenaufsicht nach dem deutschen Kreditwesengesetz (KWG).
1. Auslandskredit
Die New York Branch der B-Bank schloss am 5./7. März 1987 mit der in Chile ansässigen C... (C), einer staatlichen ... Gesellschaft Chiles, einen ungesicherten Rahmenkreditvertrag über die revolvierende Vorfinanzierung von ...-Exporten an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland -"Revolving Export-Pre-Financing Agreement"- (Betriebsprüfungs-Arbeitsakte -Bp-ArbA- Bd. I Bl. 275 ff; Protokoll 1. April 1998 nachmittags S. 3, Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 155).
Der Vertrag wurde mehrmals verlängert; dabei wurde der Kreditrahmen von anfangs 15 Mio. US-$ mit Genehmigung des chilenischen Ministro de Hacienda auf 30 Mio. US-$ erhöht (Anlagen Zeugen der B-Bank XVI-XVII; Bp-ArbA Bd. I Bl. 291 ff). Der Rahmenvertrag wurde durch aneinander anschließende kurzfristige Kredite ausgefüllt und blieb während der ganzen Zeit des Kreditengagements bis 1994 bestehen (Protokoll 1. April 1998 nachmittags S. 6, FG-A Bl. 158).
Jährlich hatte die C der B-Bank eine Liste der deutschen Abnehmer einzureichen, um deren Bonität überprüfbar zu machen (Rahmenvertrag clause 10, Bp-ArbA Bd. I Bl. 278 ff; Protokoll 1. April 1998 nachmittags S. 2, FG-A Bl. 154).
Für die Exporte beantragte C bei der B-Bank jeweils die Vorfinanzierung unter Angabe von Menge, Kaufpreis und Bestimmungshafen. Daraufhin gewährte die B-Bank der C über deren bei der B-Bank in New York geführtes US-$-Konto Einzelkredite i.H.v. 100% des Verkaufspreises mit einer Laufzeit von längstens 180 Tagen. Zu diesem Zeitpunkt standen weder der Verschiffungszeitpunkt fest, noch lagen Akkreditive vor. Bei der späteren Verschiffung der Fracht teilte die C der B-Bank die in der vorerwähnten Liste genannten Käufer mit. Entsprechend der unwiderruflichen Anweisung der C zahlten ihre Abnehmer den Kaufpreis auf das vorerwähnte Konto. Die Zahlungen mussten dort nicht als Sicherheit für die erst später fällig werdenden Einzelkredite verbleiben. Unter Beachtung chilenischer Bestimmungen wurden die Beträge nach Chile weitergeleitet, wo die chilenische Zentralbank der C bei Kreditfälligkeit die erforderlichen Devisen zur Verfügung zu stellen hatte (vgl. insgesamt obigen Rahmenvertrag; Protokoll 1. April 1998 vormittags S. 7, nachmittags S. 2 ff, FG-A Bl. 147, 154 f; Anlagen Klägerin -K- 13b und K 13e; Anlagen Zeuge Wirtschaftsprüfer L 3, 4, 8). So wurde der Kreditvertrag auch noch nach dem Streitjahr bis zur Beendigung in 1994 durchgeführt (Protokolle 1. April 1998 nachmittags S. 3 ff und 16. April 1998 S. 9, FG-A Bl. 155 ...