Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des halben Kinderfreibetrages auf den wirtschaftlich tatsächlich Unterhalt Leistenden
Leitsatz (redaktionell)
Stellt bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungenzur Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, ein Elternteilden anderen Elternteil unentgeltlich von dessen Unterhaltsverpflichtung gegenüber demKind frei, kommt der freigestellte Elternteil seiner Unterhaltspflicht im Sinne des § 32Abs. 6 Satz 4 EStG nicht (mehr) nach, mit der Folge, daß bei Vorliegen der übrigenVoraussetzungen des § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG dem unterhaltenden Elternteil der volleKinderfreibetrag zu gewähren ist.
Normenkette
EStG 1989 § 32 Abs. 6 S. 4
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist streitig, ob beim Kläger jeweils halbeKinderfreibeträge und Kinderbetreuungskosten für seine beiden Kinder zu berücksichtigen sind.
Der Kläger und die Beigeladene sind geschiedene Ehegatten. Mit dem Urteil des AmtsgerichtsBonn vom 17.09.1986 – 44 F 26/84 – wurde das elterliche Sorgerecht für die am 16.09.1970geborene Tochter S und den am 21.09.1972 geborenen Sohn R des Klägers und derBeigeladenen auf die Beigeladene übertragen. Gleichzeitig wurde der Kläger verurteilt, an dieBeigeladene für die beiden Kinder bis zum 3. Werktag eines jeden Monats im voraus je DMUnterhalt abzüglich des hälftigen anteiligen Kindergeldes zu zahlen. Mit notariellem Vertragvom 14.02.1987 (Notar in Bonn, UR Nr., Kopie Bl. 15 – 22 der FG-Akte) träfen der Kläger unddie Beigeladene Regelungen über die Verteilung ihres Vermögens und über denZugewinnausgleich. In dem Vertrag wurde unter A. 1. weiter vereinbart, daß die Beigeladenezur Entlastung des Klägers zunächst für die Zeit gleichbleibender Verhältnisse den Unterhalt fürdie Kinder übernehmen sollte. Dem Kläger sei bekannt, daß er den Kindern gegenüber trotzdemunterhaltspflichtig bleibe. Der Beigeladenen bleibe vorbehalten, in Anwendung derBestimmungen des § 323 ZPO bei veränderten Verhältnissen eine Änderung dieser Festlegungdes Kinderunterhalts und dann auch angemessenen Ausgleich dafür zu verlangen, daß sie auchschon bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrags den Kinderunterhalt alleingetragen habe. Im Streitjahr 1989 befanden sich beide Kinder in der Berufsausbildung. Siewaren mit Hauptwohnung bei der Beigeladenen gemeldet und gehörten nicht zum Haushalt desKlägers.
Das für die Besteuerung der Beigeladenen zuständige Finanzamt gewährte der Beigeladenenden vollen Kinderfreibetrag für beide Kinder. Dies beruhte darauf, daß die Beigeladene in ihrerEinkommensteuer-Erklärung angab, der Kläger sei seinen Unterhaltspflichten gegenüber denKindern nicht mindestens zur Hälfte nachgekommen.
Mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr begehrte der Klägerden Freibetrag für Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses, die halbenKinderfreibeträge sowie für die Tochter S die Gewährung des hälftigenAusbildungsfreibetrages.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 08.06.1993 führte derBeklagte aus, die Gewährung von Kinderfreibeträgen und die damit zusammenhängendenVergünstigungen kämen aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 32EStG seien nicht erfüllt. Der Kläger sei seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindernnicht im wesentlichen nachgekommen. Der Kläger habe weder Barunterhalt noch ersatzweiselaufenden Unterhalt in Naturalien geleistet. Der Hinweis auf die notariell beurkundetevermögensrechtliche Auseinandersetzung greife nicht durch. Bei der Übertragung von Hausrathandele es sich allenfalls um Abfindungsleistungen wegen Verzichts auf Unterhaltsansprüchegem. § 1585c BGB. Die Abziehbarkeit dieser Aufwendungen werde von der Rechtsprechungabgelehnt, weil es sich um Aufwendungen im Bereich des Vermögens handele. Ein Abzugscheitere auch daran, daß der Kläger im Streitjahr keine Unterhaltsleistungen erbracht habe.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er macht geltend, die in der notariellenVereinbarung vom 14.02.1987 getroffene Unterhaltsbestimmung stehe einer laufendenUnterhaltsgewährung im Sinne des Einkommensteuerrechts gleich. Der Kläger erfülle seineUnterhaltspflicht mit Hilfe eines Dritten, nämlich der Beigeladenen als seiner geschiedenenEhefrau. Der BFH habe im Urteil vom 17.03.1992 (IX R 264/67) entschieden, daß einGeschiedener seine Unterhaltspflicht auch dadurch erfüllen könne, daß er dem früheren Partnerdas bisher gemeinsam bewohnte Haus zur kostenlosen Nutzung überlasse. Das Abflußprinzipdes § 11 Abs. 2 EStG sei für die Frage der Unterhaltsgewährung im Sinne von § 32 Abs. 6 Satz4 EStG nicht anwendbar, denn in dieser Vorschrift werde nicht darauf abgestellt, daß einElternteil seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind im Kalenderjahr, sondern für dasKalenderjahr nachkomme. D...