Entscheidungsstichwort (Thema)
Land- und forstwirtschaftlich bewirtschafteter Grund und Boden als Betriebstätte i.S.v. § 12 AO, Gewinnaufteilung zwischen Deutschland und den Niederlanden, Progressionsvorbehalt
Leitsatz (redaktionell)
1) Land- und forstwirtschaftlich bewirtschafteter Grund und Boden stellt eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 1 AO dar. Für die hieraus resultierenden Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen steht das Besteuerungsrecht gemäß Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 DBA/Niederlande dem Belegenheitsstaat Niederlande zu.
2) Zur Aufteilung des Gewinns auf den im Inland belegenen Hof und die in Deutschland und den Niederlanden gelegenen bewirtschafteten Flächen gemäß Verständigungsvereinbarung vom 09.11.2001 (BMF-Schreiben v. 30.11.2001 - IV B 6 - S 1301 Ndl. - 70/01).
3) Die in Deutschland steuerfreien Einkünfte aus in den Niederlanden betriebener Land- und Forstwirtschaft unterliegen gemäß § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht dem Progressionsvorbehalt.
Normenkette
EStG § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 Nr. 1; DBA Niederlande Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 20 Abs. 2; Verständigungsvereinbarung D/NL vom 09.11.2001; AO § 12 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Er betreibt einen Mischbetrieb mit Ackerbau- und Milchwirtschaft.
Streitig ist, ob es sich bei den von dem Kläger in den Niederlanden bewirtschafteten Flächen um eine Betriebstätte handelt und aus diesem Grund die auf diese Flächen entfallenden Einkünfte nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen
Der Kläger bewirtschaftet einen grenzüberschreitenden Betrieb, dessen Hofstelle sich in Deutschland befindet. Die vom Kläger bewirtschafteten Flächen belaufen sich auf insgesamt 73,09 Hektar, davon sind 63,64 Hektar (87,10 %) in Deutschland belegen. In den Niederlanden bewirtschaftete er 9,45 Hektar (12,90 %) so genanntes Takttatland. Alle bewirtschafteten Flächen liegen in einem Umkreis von weniger als zehn Kilometern zur Hofstelle.
Die in den Niederlanden bewirtschafteten Flächen stehen im Eigentum Dritter. Im Jahr 2008 erfolgte auf diesen Flächen ein Anbau mit Feldfrüchten. Ein Teil der in den Niederlanden gelegenen Flächen wird einseitig von einer Sträucherhecke mit Zaun begrenzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 13.7.2012, in dem dieser seinen Betrieb und die in den Niederlanden bewirtschafteten Flächen näher beschrieben hat, Bezug genommen.
Der Kläger ist buchführungspflichtig. Für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 ermittelte er einen steuerlichen Gewinn in Höhe von 44.138 EUR, für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 einen steuerlichen Gewinn von 50.992 EUR. Der erzielte Gewinn wurde auf Deutschland und die Niederlande entsprechend der zwischen beiden Ländern getroffenen Verständigungsvereinbarung vom 09.11.2001 aufgeteilt. Dabei wurde der Gewinn zunächst zu 50% dem Hof zugerechnet, der restliche Gewinn wurde im Verhältnis der im Inland gelegenen zu den in den Niederlanden gelegenen Flächen aufgeteilt. Demzufolge wurden die im Inland zu versteuernden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2008 mit 44.497 EUR und die in diesem Jahr anteilig auf die in den Niederlanden gelegenen Flächen entfallenden Einkünfte mit 3.068 EUR ermittelt.
Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung 2008 nur die in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 14.09.2010 unterwarf das Finanzamt (FA) zusätzlich die anteilig auf die Niederlande entfallenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 3.068 EUR dem Progressionsvorbehalt gem. § 32b EStG.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, für die niederländischen Einkünfte greife ab Veranlagungszeitraum 2008 nicht mehr der Progressionsvorbehalt. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gelte auch für so genannte Taktatländerreien bei grenzdurchschnittenen landwirtschaftlichen Betrieben. Die in den Niederlanden bewirtschafteten Flächen stellten eine Betriebstätte dar.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es führte in der Einspruchsentscheidung u. a. aus, die auf die in den Niederlanden gelegenen Flächen entfallenden Einkünfte seien zu Recht dem Progressionsvorbehalt unterworfen worden.
In dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden (DBA Niederlande) werde die Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte zwischen den beiden Vertragsstaaten geregelt. Beziehe eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich des Zubehörs), das in dem anderen Staat liege, so habe gem. Art. 4 Abs. 1 DBA Niederlande der anderen Staat (Belegenheitsstaat) das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte.
Nach Art. 4 Abs. 2 DBA Niederlande gelte Abs. 1 sowohl für die durch unmittelbare Verwaltung und Nutzung als auch für die durch Vermietung, Verpachtung und jede andere Art der Nutzung des unbeweglichen Vermögens (einschli...