Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriffsbestimmung der "nicht im Inland belegenen Betriebsstätte" in § 9 Nr. 3 GewStG
Leitsatz (redaktionell)
Der Begriff der "nicht im Inland belegenen Betriebsstätte" in § 9 Nr. 3 GewStG ist nicht nach Maßgabe der Begriffsbestimmung in § 12 AO auszulegen, sondern nach der abweichenden Begriffsbestimmung des einschlägigen DBA-Türkei zu bestimmen.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 3; DBA-Türkei Art. 5 Abs. 3, Art. 2 Abs. 3; AO § 12
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Einkaufsbüro in der Türkei als ausländische Betriebsstätte anzusehen und der Gewerbeertrag deshalb nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen war.
An der Klägerin beteiligt sind zu 55% die A GmbH, …, und zu 45% Frau B, … (Türkei). Bei der A GmbH handelt es sich um eine 100%tige Tochtergesellschaft der C GmbH, …. Die Klägerin betreibt eine Importvermittlung, in deren Rahmen sie das gesamte …einkaufsvolumen der C GmbH in der Türkei vermittelt, die die einzige Auftraggeberin der Klägerin war. Hierfür erhielt die Klägerin eine Vermittlungsprovision. Für ihre Vermittlungstätigkeit unterhielt die Klägerin ein Einkaufsbüro in der Türkei.
Das Einkaufsbüro wurde von der Klägerin als Betriebsstätte im Ausland angesehen. Entsprechend den Erklärungen der Klägerin zur Gewerbesteuer wurde der Gewerbeertrag im Rahmen der ursprünglichen Bescheide auf der Grundlage von § 9 Nr. 3 GewStG wie folgt gekürzt:
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2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
Kürzung |
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Anlässlich einer Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2007 durch das FA … kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass das Einkaufsbüro in der Türkei keine Betriebsstätte sei (vgl. Prüfungsbericht vom 26. 7. 2011, Tz. 2.2.1). Denn gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA Türkei, welches auch auf die Gewerbesteuer Anwendung finde, gelte „eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen” ausdrücklich nicht als Betriebsstätte. In den vorliegend streitgegenständlichen Änderungsbescheiden wurde die Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG dementsprechend nicht mehr gewährt.
Im Einspruchsverfahren führte die Klägerin aus, dass für die Kürzung ausschließlich der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO heranzuziehen sei. Der Begriff der ausländischen Betriebsstätte sei ausschließlich nach deutschem Steuerrecht auszulegen. Der Betriebsstättenbegriff des jeweiligen DBA gelte nur im Verhältnis zu dem jeweiligen Staat, mit dem das Abkommen geschlossen worden sei, und könne zur Auslegung nationaler Gesetze nicht herangezogen werden. Bei § 2 GewStG sei erforderlich, dass sowohl der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO als auch des jeweiligen DBA erfüllt sei. Dies gälte jedoch nur für die Frage, ob überhaupt eine Gewerbesteuerpflicht in Deutschland gegeben sei. Für die Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG sei dies nicht der Fall.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 7. 12. 2012 aus: Die Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 3 GewStG sei zu Recht abgelehnt worden. Zwar stellten nach § 12 Satz 2 Nr. 6 AO auch Ein- oder Verkaufsstellen eine Betriebsstätte dar, so dass das Einkaufsbüro in der Türkei den Betriebsstättenbegriff gemäß inländischem Abgabenrecht erfülle. § 12 AO sei jedoch nicht anwendbar, wenn etwa das entsprechende DBA abweichende Regelungen zum Begriff „Betriebsstätte” enthalte (vgl. AEAO zu § 12 Nr. 4). Nach Artikel 5 Abs. 3 Buchst. d des DBA Türkei gelte nicht als Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werde, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen. Daraus folge nach dem Zweck das DBA Türkei, dass das Einkaufsbüro der Klägerin in der Türkei nicht der Besteuerung durch die Türkei unterliege, sondern dem Besteuerungsrecht des anderen Vertragsstaates unterfalle, hier: Deutschland.
Wenn der Auffassung der Klägerin gefolgt würde, entfiele die gewerbesteuerliche Belastung des Gewerbeertrags, soweit er auf das in der Türkei belegene Einkaufsbüro entfalle, weil der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 3 GewStG um diesen Gewinnanteil gekürzt würde, aber eine Besteuerung in der Türkei wegen Art. 5 Abs. 3 Buchst. d des DBA Türkei nicht erfolgen könne. Eine solche partielle Nichtbesteuerung des Gewerbeertrags sei weder gewollt noch im Sinne der Vertragsstaaten. Die Klägerin erhielte dadurch zudem einen ungerechtfertigten Steuervorteil gegenüber anderen, mit gewerbesteuerbelasteten inländischen Steuerpflichtigen.
Die Klägerin widerspricht der Auffassung des Beklagten, dass – völlig unabhängig von dem zwischen den Beteiligten unstreitigen deutschen Besteuerungsrecht – allein der Betriebsstättenbegriff des Artikel 5 Abs. 3 Buchst. d DBA Türkei maßgeblich und § 12 AO nicht anwendbar sei. Zwar seien völkerrechtliche Vereinbarungen nach § 2 AO vorrangig. Gleichwohl könne nicht pauschal insgesamt auf den Betriebsstättenbegriff nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. d DBA Türkei abgestellt werden. Nach § 9 Nr. 3 GewStG sei der...