Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zusammenballung von Einkünften, wenn Entschädigung nicht mit regulären Einkünften zusammentrifft und sich die Einkünfte trotz Entschädigung absenken
Leitsatz (redaktionell)
Eine Anwendung der Fünftelregelung scheidet aus, wenn die Entschädigung nicht in einem VZ gezahlt wird, in dem noch das ungeschmälerte reguläre Gehalt zufließt, sondern danach und es damit insgesamt zu einem niedrigeren als dem Regelgehalt kommt.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 2, § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung einer vom Kläger erzielten Abfindung.
Der Kläger war bis zum 31.01.2009 als Angestellter nichtselbstständig tätig. Er erhielt für diesen Monat ein Gehalt i.H.v. 10.787 EUR. Außerdem erhielt er anlässlich der Beendigung seiner Beschäftigung im Januar 2009 eine Abfindung i.H.v. 43.000 EUR. In den Vorjahren betrugen seine Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit 129.687 EUR (in 2006), 146.247 EUR (in 2007) bzw. 139.834 EUR (in 2008). Daneben erzielte der Kläger in diesen Jahren als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und zwar i.H.v. -1.935 EUR in 2006, 3.310 EUR in 2007 sowie -20.195 EUR in 2008.
Ab Februar 2009 widmete sich der Kläger in vollem Umfang seiner selbstständigen Rechtsanwaltstätigkeit und erzielte hieraus im Streitjahr Einkünfte i.H.v. 5.100 EUR. Daneben erhielt er von der Bundesagentur für Arbeit einen steuerfreien Gründungszuschuss i.H.v. 2.094 EUR monatlich für die Zeit vom 01.02.2009 bis 31.10.2009 sowie i.H.v. 300 EUR monatlich für die Zeit vom 01.11.2009 bis 30.04.2010.
Der Beklagte unterwarf im Rahmen des Einkommensteuerbescheides vom 21.10.2010 die gezahlte Abfindung der Regelbesteuerung.
Hiergegen richtet sich die vorliegende, nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger geltend macht, dass die Abfindung nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern sei. Hierbei vertritt er zum einen die Ansicht, dass es sich bei dem im Streitjahr vorliegenden Fall, bei dem sich der Steuerpflichtige nach Beendigung seiner nichtselbstständigen Tätigkeit selbstständig macht, um einen Sonderfall handele, der für die Anwendung des § 34 EStG keine Zusammenballung von Einkünften erfordere. Im Übrigen sei im Streitfall eine solche Zusammenballung gegeben; insoweit wird auf die zahlenmäßige Zusammenstellung im Schriftsatz des Klägers vom 14.06.2011 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die mit Bescheid vom 21.10.2010 festgesetzte Einkommensteuer 2009 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16.03.2011 auf 0 EUR herabzusetzen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, dass eine Entschädigung nur dann § 34 EStG unterfalle, wenn sie zusammengeballt zufließe, weil der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließlich der Entschädigung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhalte, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten würde. Eine derartige Zusammenballung von Einkünften sei beim Kläger im Streitfall nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Anwendung des § 34 EStG auf die vom Kläger bezogene Abfindung abgelehnt.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG (Fünftelregelung) zu berechnen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nur die in § 34 Abs. 2 EStG aufgeführten Einkünfte in Betracht. Das bedeutet aber nicht, die – hier im Streitjahr vereinnahmte – Entschädigung (§ 24 Nr. 1 EStG) sei ohne weiteres ermäßigt zu besteuern. Vielmehr ist der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG entsprechend dem Normzweck, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen, auf solche Einkünfte zu beschränken, die „zusammengeballt” zufließen. Davon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten hätte (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, etwa Urteil vom 27.01.2010 IX R 31/09, BStBl II 2011, 28 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist es für die Erfüllung des genannten Normzwecks gleichgültig, ob der Steuerpflichtige im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine selbständige oder erneut eine nichtselbständige Tätigkeit ergreift, so dass der Streitfall – entgegen der Ansicht des Klägers – keinen Sonderfall darstellt, der eine Abweichung von der angeführten Rechtsprechung des BFH erfordert.
Die für die Prüfung einer Zusammenballung notwendige, hypothetische und prognostische Betrachtung orientiert sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, die dem Veranlagungszeitraum, in dem die Entschädigung zuflie...