Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachzahlungszinsen nach Änderung der Veranlagungsart

 

Leitsatz (redaktionell)

Die geänderte Wahl der Veranlagungsart ist verfahrensrechtlich ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO und zugleich auch ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 233a Abs. 2a AO.

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 Nr. 2; EStG §§ 26a, 26b; AO § 233a Abs. 2a

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 12.08.2015; Aktenzeichen III B 50/15)

 

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) zur Einkommensteuer 2011.

Die Klägerin ist verheiratet. Mit Einkommensteuerbescheid vom 18.06.2013 wurde sie antragsgemäß getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Es ergab sich eine Einkommensteuer von 8.848 €. Zugleich wurden Zinsen zur Einkommensteuer nach § 233a AO von 74 € festgesetzt. Gegen den Einkommensteuerbescheid wandte sich die Klägerin zunächst mit dem Einspruch vom 05.07.2013. Mit Schreiben vom 29.07.2013 beantragte sie die Durchführung einer Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann. Mit der Durchführung einer entsprechenden Zusammenveranlagung sollte der Einspruch erledigt sein.

Mit Bescheid vom 06.11.2013 hob der Beklagte dementsprechend den Einkommensteuerbescheid vom 18.06.2013 auf und führte eine Zusammenveranlagung durch. Zugleich änderte er mit dem Aufhebungsbescheid die Zinsfestsetzung auf der Grundlage des § 233a Abs. 5 AO. Im Ergebnis blieb die Zinsfestsetzung vom 18.06.2013 bestehen. Der Beklagte verwies insoweit auf § 233a Abs. 2a i.V.m. Abs. 7 Satz 2, 2. Halbsatz AO. Danach sei der sich aus der Aufhebung der Steuerfestsetzung ergebende Unterschiedsbetrag erst ab dem 01.04.2015 zu verzinsen.

Hiergegen wendete sich die Klägerin mit dem Einspruch vom 12.11.2013. Die Zinsfestsetzung sei vollständig aufzuheben. § 233 Abs. 2a AO sei nicht einschlägig. Damit würde sich eine Aufteilung des Unterschiedsbetrages in Teil-Unterschiedsbeträge nach § 233a Abs. 7 AO erübrigen. Mithin entfielen die Zinsen ab Beginn des Zinslaufs (01.04.2013). – Mit Entscheidung vom 28.05.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er hielt daran fest, dass wegen der Änderung der Veranlagungsart der abweichende Zinslauf des § 233a Abs. 2a AO zur Anwendung komme. Der Wechsel der Veranlagungsart (hier: Zusammenveranlagung nach bereits erfolgter getrennter Veranlagung) sei ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um den antragstellenden Ehegatten oder den anderen Ehegatten handele. Dass die verfahrensrechtliche Umsetzung des Wechsels der Veranlagungsart beim antragstellenden Ehegatten nicht auf der Grundlage des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolge, stehe dem nicht entgegen. § 233a Abs. 2a AO finde sowohl bei der Aufhebung der ursprünglichen Veranlagung(en) als auch beim Erlass der/des neuen Steuerbescheide(s) für beide Ehegatten Anwendung (vgl. Anwendungserlass zur Abgabenordnung [AEAO] zu § 233a Rz. 10.2.1). Mithin beginne der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis entstanden sei (Kalenderjahr der Antragstellung).

Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.06.2014 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat sie zunächst nur auf ihre Ausführungen im Vorverfahren verwiesen. Mit Schriftsatz vom 11.03.2015 trägt sie unter Berufung auf das Parallelverfahren ihres Ehemannes gegen die Zinsfestsetzung 5 K 1812/14 ergänzend wie folgt vor: Mit dem damaligen Einspruch vom 05.07.2013 gegen den Bescheid über die getrennte Veranlagung vom 18.06.2013 habe sie ebenso wie ihr Ehemann geltend gemacht, dass ihrem Ehemann als Mitunternehmer an der … A KG ein höherer Verlust zu rechnen sei, weil die AfA zu niedrig angesetzt worden sei. Insoweit sei ein Klageverfahren der … A KG wegen Gewinnfeststellung 2001 – 2006 beim FG Köln anhängig gewesen und auch nach wie vor anhängig. Dementsprechend habe sie beantragt, das Einspruchsverfahren ruhen zu lassen. Diesem Antrag habe sich der Beklagte verschlossen mit der Begründung, bei einer Anerkennung der begehrten Verluste aus der KG-Beteiligung sei der entsprechende Einkommensteuerbescheid 2011 ohnehin von Amts wegen zu ändern. Bei einer Änderung des Einkommensteuerbescheids könne jederzeit auch eine Änderung der Veranlagungsart beantragt werden. Da der Ausgang des Klageverfahrens der … A KG für sie nicht abzusehen gewesen sei, habe sie sich ebenso wie ihr Ehemann entschlossen, im laufenden Einspruchsverfahren die Durchführung einer Zusammenveranlagung zu beantragen, weil diese bei negativem Prozessausgang die günstigere Veranlagungsart gewesen sei. Materiell-rechtlich handele es sich bei der erfolgten Änderung der Veranlagungsart im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die getrennte Veranlagung nicht um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Im Verhältnis zu den Bescheiden über die getrennte Veranlagung sei der Zusammenveranlagungsbescheid ein neuer und kein geänderter Be...

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