Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltskosten für die Vertretung eines Berufssoldaten im Disziplinarverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Rechtsverfolgungskosten aus bürgerlich-rechtlichen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, die ein Arbeitsverhältnis und die Ansprüche daraus betreffen, stehen im Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.
2. Auch Rechtsanwaltskosten eines Berufssoldaten für seine Vertretung in einem Wehrdisziplinarverfahren stellen – jedenfalls im Veranlagungszeitraum 2018 – abzugsfähige Werbungskosten dar.
3. Weil auf Grund der Tätigkeit eines Soldaten sein privates Verhalten durch die soldatenrechtlichen Vorschriften berufliche Relevanz erlangt, wird dessen außerdienstliches Verhalten zu einer dienstlichen Pflicht erhoben.
4. Regelkonformes Verhalten ist grundsätzlich keine Tatbestandsvoraussetzung für den Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug.
5. Da die in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG genannten Aufwendungen als Betriebsausgaben bzw. in § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG als Werbungskosten qualifiziert sind, müssen Kosten aus berufsrechtlichen Verfahren in Folge von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten erst recht Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit darstellen.
6. Es bleibt offen, ob Rechtsanwaltskosten eines Berufssoldaten für seine Vertretung in einem Wehrdisziplinarverfahren ab 1.1.2019 als Werbungskosten dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG unterliegen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8, § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 12, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 40; WDO § 58 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger erzielt als Berufssoldat Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit.
Aufgrund eines auf der Plattform facebook veröffentlichten Kommentars wurde er durch rechtskräftiges Urteil des AG C vom xx.xx.2018 (Az. …) wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten schuldig gesprochen und verwarnt unter Vorbehalt einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je xxx,xx €.
Daneben war gegen ihn am xx.xx.2017 ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren eröffnet worden, das noch nicht abgeschlossen ist. Dieses hatte neben dem Vorwurf, der i.R.d. Strafverfahrens vor dem AG C behandelt wurde, noch zahlreiche weitere mutmaßliche Disziplinarvergehen im Wesentlichen in Gestalt von Postings auf dem facebook-Account des Klägers zum Gegenstand; die disziplinarischen Ermittlungen resultierten aus Anschuldigungen eines oder mehrerer Kollegen des Klägers. Dem Kläger wurde ausweislich der Anschuldigungsschrift vom xx.xx.2019 vorgeworfen, insbesondere gegen folgende Dienstpflichten verstoßen zu haben:
- außerhalb des Dienstes bei Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten,
- außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen, die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft zu beeinträchtigen,
- die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten,
- der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert.
Für seine Vertretung in dem Disziplinarverfahren durch Rechtsanwalt B wandte der Kläger im Streitjahr Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.785 € auf.
In seiner Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger den Abzug der Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen. Hierzu legte er ein Schreiben des Rechtsanwaltes B vom 21.05.2019 vor, nach dem in dem Wehrdisziplinarverfahren die Entfernung aus dem Dienstverhältnis gem. § 58 Abs. 1 Nr. 5 Wehrdisziplinarordnung im Raume gestanden habe und die daraus resultierenden Kosten unmittelbar mit den disziplinarrechtlichen Ermittlungen zusammenhängen würden. Es habe eine den Lebensunterhalt massiv bedrohende Belastung bestanden.
Die Einkommensteuerveranlagung 2018 erfolgte durch Bescheid vom 02.08.2019 ohne Berücksichtigung der Rechtsanwaltskosten.
Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, dass es sich nicht um eine vorsätzlich begangene Straftat gehandelt habe, sondern letztlich nur um eine gerichtliche und disziplinare (Vor-)Untersuchung aufgrund einer Meldung eines ehemaligen Untergebenen. In seinem Fall handele es sich um bloße Behauptungen eines Einzelnen, er – der Kläger – habe irgendwelche Aussagen angeblich öffentlich getätigt, die es so aber nicht gegeben habe und daher zu widerlegen gewesen seien. Von Vorsatz könne nicht die Rede sein, maximal von unbewusster Fahrlässigkeit.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21.04.2020 zurück mit der Auffassung, dass die Rechtsanwaltskosten weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen seien. Für Letzteres fehle es an dem notwendigen Veranlassungszusammenhang mit der Tätigkeit als Berufssoldat, da die dem Kläger vorgeworfene Tat nicht ausschließlich und unmittelbar aus seiner beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar und damit nicht beruflich veranlasst sei. Der Erwerbsb...