Entscheidungsstichwort (Thema)
"Ausbildung" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) EStG und Überschreiten der Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b) EStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Ausübung von Hilfsarbeiten eines Kindes in der physiotherapeutischen Gemeinschaftspraxis eines Elternteils, bei der der "Erwerbscharakter" der Tätigkeit im Vordergrund steht, ist keine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) EStG.
2) Der gesetzliche Wehrdienst ist keine Ausbildung i.S. des § 32 Abs 4 Satz 1 Buchst. a) EStG.
3) Auch die unverschuldete Überschreitung der Übergangszeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) EStG ist kindergeldschädlich.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Vater des am 11.8.1984 geborenen Kindes R. R hat im Juni 2005 das Abitur abgelegt. Bis einschließlich Juni 2005 hatte der Kläger für den Sohn Kindergeld bezogen.
Am 7.10.2006 stellte der Kläger für R bei der Beklagten einen auf den 30.9.2005 datierten „Antrag auf Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz” (Bl. 93 der Kindergeldakte/ Kg-Akte). Ausweislich der im Antragsformular vermerkten Bestätigung des „Kundenbereichs Vermittlung” der Agentur für Arbeit (AfA) E war R dort seit dem 7.10.2005 als arbeitsuchend gemeldet. Außerdem ist im Antrag (unter Ziff 5.) angegeben, dass der Sohn des Klägers „seit Januar 05 bis voraussichtlich 31.12.05 eine Tätigkeit mit Brutto-Einnahmen in Höhe von monatlich 325,– (EUR)” ausübt und dass ein „Einberufungsbescheid zum 1.1.06” vorliegt.
In einem Vermerk (Bl. 95 der Kg-Akte) über eine persönliche Vorsprache des Sohnes des Klägers bei der AfA E am 14.10.2006 heißt es u.a., „die Zeit bis zum Beginn der BW will der Kunde nutzen und sich selbst um eine Anstellung/Ausbildung bemühen; an einer Vermittlung in Arbeit unsererseits ist er nicht interessiert und steht daher der AV nicht zur Verfügung”.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Kindergeldantrag mit Bescheid vom 29.10.2005 ab. Wegen der Begründung wird im Einzelnen auf den Ablehnungsbescheid Bezug genommen.
Dagegen erhob der Kläger fristgerecht Einspruch, mit dem er sich auf die Übergangsregelung des „§ 32 EStG Absatz 2b” (gemeint: § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG) berief. Für seinen Sohn müsse die Übergangszeit-Regelung zwischen Schulabschluss und Wehrdienst gelten, auch wenn diese länger als vier Monate dauere. Mindestens bestehe aber auch eine Diskrepanz zwischen dem angefochtenen Bescheid einerseits und der Bestätigung der AfA im Antrag auf Kindergeld andererseits, wonach sein Sohn als arbeitsuchend gemeldet sei.
Der Beklagte wies den Einspruch jedoch mit Einspruchsentscheidung vom 12.1.2006 als unbegründet zurück. Das Kind habe sich zwar im Oktober 2005 arbeitslos gemeldet. Da R zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits das 21. Lebensjahr vollendet gehabt habe (11.8.2005), seien für seine Berücksichtigung als Kind nur (noch) die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) bis d) EStG einschlägig. An einer Berufsausbildung sei der Sohn des Klägers lt. eigenen Angaben aber erst nach Ablauf des Wehrdienstes interessiert. Die Berücksichtigung als Kind während der Übergangszeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn des Wehrdienstes scheitere daran, dass die Übergangszeit mehr als vier Monate betragen habe.
Mit seiner dagegen geführten, fristgerecht erhobenen Klage macht der Kläger geltend, es könne dahinstehen, ob ihm Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG (für ein arbeitsuchendes Kind unter 21 Jahren) zu gewähren sei. Denn sein Sohn werde gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG für einen Beruf ausgebildet. Auch der gesetzliche Wehrdienst diene der Berufsausbildung, beispielsweise zum Offizier. Hinzu komme, dass sich sein Sohn zwischenzeitlich dauerhaft bei der Bundeswehr als Offiziersanwärter verpflichtet habe (dazu hat der Kläger den Antrag seines Sohnes auf Erstverpflichtung zum SaZ 4 (Soldat auf Zeit) vom 13.7.2006 (Bl. 62 der Akten) und die Urkunde des Bundesministers der Verteidigung vom 16.9.2006 über die Berufung des Sohnes in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum 1.10.2006 vorgelegt (Bl. 67 der Akten)).
Mindestens sei dem Kläger aber auch deshalb Kindergeld zu gewähren, weil sein Sohn vom 1.1. bis zum 31.12.2005 einer Tätigkeit nachgegangen sei, die ebenfalls als Berufsausbildung zu qualifizieren sei. Hierbei habe es sich um eine Tätigkeit in der physiotherapeutischen Gemeinschaftspraxis gehandelt, die die Frau des Klägers und deren Berufskollege C seinerzeit zusammen betrieben hätten. Der Sohn habe in dieser Praxis gegen einen pauschal versteuerten Brutto-/Nettolohn von monaltlich 325 EUR diverse Arbeiten, die im laufenden Alltagsgeschäft dort so anfielen, wie z.B. Rezeptionstätigkeit, erledigt. Ferner sei er in das Abrechnungswesen eingearbeitet worden.
Da hiernach zu keinem Zeitpunkt zwischen zwei Ausbildungsabs...