rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zusammenveranlagung aufgrund einer in Belgien abgegebenen Erklärung über das gesetzliche Zusammenleben (sog. Cohabitation légale)
Leitsatz (redaktionell)
Eine Zusammenveranlagung nach § 26b EStG aufgrund einer in Belgien abgegebenen Erklärung über das gesetzliche Zusammenleben (sog. Cohabitation légale) scheidet aus.
Normenkette
EStG § 26; EGBGB Art. 13; EStG § 2 Abs. 8; GG Art. 3; EStG §§ 26b, 1 Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Möglichkeit der Zusammenveranlagung des Klägers mit der verstorbenen Frau A (im Folgenden: Rechtsvorgängerin), deren Rechtsnachfolger ebenfalls der Kläger ist.
Der Kläger lebte zusammen mit der Rechtsvorgängerin in einem gemeinsamen Haushalt in Belgien. Beide sind deutsche Staatsangehörige. Am … 2013 gaben sie vor dem Standesbeamten der belgischen Gemeinde B eine Erklärung über das gesetzliche Zusammenleben (sogenannte Cohabitation légale) ab, die am selben Tag in das belgische Nationalregister eingetragen wurde.
Die Rechtsvorgängerin wurde auf Antrag und zunächst erklärungsgemäß nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgrund ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2015 mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Hiergegen legte sie Einspruch ein und beantragte die Zusammenveranlagung mit dem Kläger. Zur Begründung verwies sie auf die Erklärung über das gesetzliche Zusammenleben und reichte Unterlagen zu den Einkünften des Klägers sowie eine Bescheinigung EU/EWR der belgischen Steuerverwaltung und den belgischen Steuerbescheid für sich und den Kläger ein. Des Weiteren legte sie eine am …2017 von der Gemeinde B ausgestellte Bescheinigung über die Eintragung einer Erklärung über das gesetzliche Zusammenleben vor. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 9. April 2018, mit dem sie wiederum einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden war, legte sie ebenfalls Einspruch ein.
Am 27. November 2018 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, eine Erklärung über das gesetzliche Zusammenleben sei keine Heirat. Eine derartige Erklärung könne in Belgien von allen volljährigen zusammenlebenden Personen abgegeben werden. Dies habe zur Folge, dass die gemeinsame Wohnung geschützt sei und jeder sich an den Kosten des Zusammenlebens zu beteiligen habe. Im Fall des Todes habe der überlebende Partner das Recht, die Familienwohnung und das Mobiliar weiterhin unabhängig davon zu nutzen, wer Erbe sei. Eine Hinterbliebenenpension oder Witwen-/Witwerrente gebe es nicht. Diese Form der Lebensgemeinschaft ende durch Tod, eine schriftliche – gegebenenfalls auch einseitige -Erklärung beim zuständigen Bevölkerungsdienst oder durch Heirat. Es handele sich demnach nicht um eine Ehe, aufgrund derer nach den §§ 26, 26b EStG eine Zusammenveranlagung verlangt werden könne.
Die Rechtsvorgängerin hatte am 30. Dezember 2018 Klage erhoben.
Sie hatte gemeinsame Steuererklärungen mit dem Kläger für die Streitjahre eingereicht und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung seien gegeben. In dem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Januar 2017 sei ihr der Status als Ehefrau des Klägers zugemessen worden. Außerdem ergäben sich aus der Erklärung des Zusammenlebens nach belgischem Recht gegenseitige Versorgungsansprüche sowie im Erbfall gegenseitige Ansprüche der Partner, so dass die wesentlichen Verpflichtungen und Rechte wie bei einer Ehe bestünden. Die Erklärung über das gesetzliche Zusammenleben sei zudem durch einen notariell beurkundeten Erbvertrag ergänzt worden. Dadurch sei hinsichtlich der Erbansprüche eine vermögensrechtliche Gleichstellung mit Ehegatten erfolgt. Wesentliches Kriterium für eine Zusammenveranlagung nach § 26 EStG sei nicht die Ehe, sondern das nicht dauernde Getrenntleben sowie das Aufrechterhalten eines gemeinsamen Wirtschaftens. Dies sei bei der Lebensgemeinschaft zwischen ihr und dem Kläger der Fall.
Eine Pflicht zur Zusammenveranlagung ergebe sich außerdem aus einer analogen Anwendung des § 2 Abs. 8 EStG. Bei einem anderen Verständnis sei die Norm mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar, da sie für verschiedengeschlechtlicheLebenspartnerschaften zu einer nicht begründbaren Benachteiligung im Vergleich zu gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften führe. Sie würden aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Die Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs. 8 EStG sei insbesondere vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 –, BVerfGE 147, 1, offensichtlich. Seit der Einführung der Ehe für alle hätten gleichgeschlechtliche Paare die Wahl, entweder eine Lebenspartnerschaft fortzuführen oder diese in eine Ehe umzuwandeln. Verschiedengeschlechtlichen Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft werde die Vergünstigung des § 26b EStG dagegen verwehrt, obwohl die vermögens- und versorgungsrechtlichen Tatbestände denen einer Ehe oder gleichgeschlech...