Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung aufgrund der einer Hebamme ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die einer Hebamme vergleichbare Tätigkeit übt auch aus, wer im Bereich der Geburtsvorbereitung und -nachsorge tätig ist, ohne selber unmittelbar Hilfe bei der Geburt zu leisten.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Umsätze ausführt.
Die Klägerin erzielt seit 1992 Umsätze aus der selbständigen Tätigkeit als Psychosoziale-Beraterin/Erzieherin und Geburtsvorbereiterin. Daneben hält sie gelegentlich Fortbildungskurse. Die Klägerin übt diese Tätigkeiten fast ausschließlich für das A.-Hospital in B. aus. Dort ist sie seit dem 25. April 1985 als Honorarkraft in der Elternschule tätig. Die Elternschule ist verantwortlich für das Kursangebot rund um die Geburt, hier z.B. für Geburtsvorbereitung, Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik. Die Kurzleiterinnen sind Fachkräfte aus den Berufen Hebamme, Erzieherin, Krankengymnastin, Sozialpädagogin und Geburtsvorbereiterin. Die Teilnehmer/innen zahlen ihre Gebühr bei Kursbeginn. Die Elternschule und die Kurzleiterinnen sind berechtigt, den Teilnehmern/innen die Kursgebühr zu quittieren. Diese reichen dann die Quittung nach Beendigung des Kurses bei ihrer jeweiligen Krankenkasse ein, die ihnen den Betrag ganz oder teilweise zurückerstattet.
Die Klägerin hat zunächst eine Ausbildung zur stattlich anerkannten Erzieherin an der Fachschule für Sozialpädagogik absolviert. Anschließend hat sie eine Aus- und Weiterbildung in Geburtsvorbereitung bei der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung e.V. einschließlich Kursen für Geburtsvorbereitung, Babymassage und Praktikum im Kreisssaal absolviert. Desweiteren hat sie einen Fernstudiengang mit der Ausbildung zur geprüften psychologischen Beraterin SPH erfolgreich abgeschlossen. Schließlich hat sie Fortbildungskurse besucht, wie z.B. psycho-soziale Betreuung von Frühgeborenen, der frühe Tod von Kindern, Start ins Leben, vorgeburtliche Diagnostik in der Frühschwangerschaft.
Die Klägerin gab für die Streitjahre 1992 bis 1996 keine Umsatzsteuererklärungen ab, weil sie der Ansicht war, dass sie umsatzsteuerfreie Umsätze ausführe.
Der Beklagte teilte diese Auffassung nicht und erließ für die o.g. Zeiträume entsprechende Umsatzsteuerbescheide.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 1999 zurück. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus:
Eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG liege vor, wenn sie in wesentlichen Merkmalen mit einer der im Gesetz genannten Berufe verglichen werden könne. Die Ausbildung der Klägerin als stattlich anerkannte Erzieherin mit Befähigung, Frauen und Paargruppen zur Geburtsvorbereitung zu leiten, sowie der Weiterbildung zur geprüften psychologischen Beraterin SPH sei weder mit der Ausbildung einer Hebamme noch der eines Krankengymnasten oder Heilpraktikers vergleichbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor:
Sie übe eine Tätigkeit aus, die derjenigen einer Hebamme vergleichbar sei. Sie nehme auch an Geburten teil, wenn sie die Geburtsvorbereitung begleitet habe und Komplikationen aufträten. Auch der Beruf einer Hebamme umfasse nicht nur die Geburtshilfe sondern auch die Vorbereitung auf die Geburt und die Nachsorge.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 1992 bis 1996 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19. April 1999 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –.
Die von der Klägerin getätigten Umsätze sind entgegen der Auffassung des Beklagten steuerfrei.
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – sind die Umsätze aus der Tätigkeit u.a. als Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerfrei. Nach Auffassung des erkennenden Senats übt die Klägerin eine einer Hebamme vergleichbare Tätigkeit aus.
Bei einer Hebamme handelt es sich um eine behördlich geprüfte und anerkannte Geburtshelferin. Neben der Beratung während der Schwangerschaft und Hilfe bei der Entbindung pflegt sie Mutter und Kind in den ersten Tagen des Wochenbettes (vgl. Der Große Brockhaus, 18. Auflage, Stichwort „Hebamme”). Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Hebammengesetz vom 4. Juli 1985 sowie der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger vom 16. März 1987 (Bundesgesetzblatt I 1987, 929).
Die Klägerin ist ebenfalls im Bereich der Geburtsvorbereitung und -nachsorge tätig. In ...