Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Verzinsung bei Gewinnverteilungsbeschluss nach Ablauf von mehr als einem Jahr nach Ende des Wirtschaftsjahres
Leitsatz (redaktionell)
In Anbetracht der körperschaftsteuerlichen Besonderheiten findet § 233a Abs. 2a AO 1977 keine Anwendung, wenn für ein Wirtschaftsjahr erstmalig ein Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung gefasst wird, selbst wenn zuvor ein Beschluss zur Thesaurierung des Jahresergebnisses gefasst wurde und der Änderungsbeschluss nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Wirtschaftsjahres gefasst wird.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 2; EG Art.12 (früher Art. 6 EGVtr); EGVtr Art. 17 Abs. 1; AO 1977 § 233a Abs. 2a
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin, deren Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist, reichte am 13.12.1996 die Körperschaftsteuererklärung für 1995 und am 27.3.1998 die Erklärung für 1996 beim Beklagten ein. Bei der Feststellung der Jahresabschlüsse für 1995 und 1996 hatten die Gesellschafter der Klägerin jeweils beschlossen, das Jahresergebnis in vollem Umfang als Gewinn vorzutragen. In den ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheiden vom 17.6.1997 (für 1995) und vom 18.6.1998 (für 1996), in denen der Beklagte den Steuererklärungen der Klägerin folgte, wurde die Steuer dementsprechend ohne Berücksichtigung einer Körperschaftsteuerminderung oder -erhöhung gemäß § 27 KStG festgesetzt. Im Rahmen dieser Bescheide setzte der Beklagte Erstattungszinsen nach § 233a AO in Höhe von 25 DM (für 1995) und in Höhe von 3.349 DM (für 1996) fest.
Am 3.12.2001 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1995 eine Ausschüttung von 2.000.000 DM und aus dem Bilanzgewinn zum 31.12.1996 eine Ausschüttung von 500.000 DM vorzunehmen. Die Ausschüttungen wurden noch 2001 vollzogen. Mit Bescheiden vom 3.5.2002 änderte der Beklagte die Körperschaftsteuerveranlagungen für 1995 und 1996, indem er jeweils die entsprechende Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG herstellte. Dies führte zu Körperschaftsteuerminderungen von 444.572 DM = 227.309 EUR (für 1995) und von 111.143 DM = 56.827 EUR (für 1996). Die Erstattungszinsen gemäß § 233a AO setzte der Beklagte allerdings unverändert mit 25 DM (12.78 EUR) bzw. 3.349 DM (1.712,32 EUR) fest. Eine Änderung der Zinsfestsetzungen im Hinblick auf die Körperschaftsteuerminderungsbeträge lehnte er unter Hinweis auf § 233a Abs. 2a AO ab, weil die Gesellschafter der Klägerin zunächst die Thesaurierung der nunmehr ausgeschütteten Gewinne beschlossen hatten.
Gegen die Nichtberücksichtigung der Körperschaftsteuerminderungsbeträge bei der Zinsberechnung richtet sich die vorliegende, nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 12.9.2002) erhobene Klage, mit der die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 18.05.1999 I R 60/98, BStBl II 1999, 634, und vom 29.11.2000 I R 45/00, BStBl II 2001, 326; I R 18/00, HFR 2001, 943) geltend macht, dass ein erstmaliger Gewinnverteilungsbeschluss auch dann kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233 a Abs. 2a AO darstelle, wenn die Gesellschafterversammlung zunächst beschlossen habe, den Gewinn zu thesaurieren.
Die Klägerin beantragt,
- die Erstattungszinsen für Körperschaftsteuer unter Einbeziehung der Gewinnausschüttungsbeschlüsse vom 3.12.2001 für 1995 auf insgesamt 69.340 EUR und für 1996 auf insgesamt 15.628 EUR festzusetzen,
- hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er vertritt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 12.9.2002 die Ansicht, dass die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des BFH, wonach durch den erstmaligen Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr kein abweichender Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a AO ausgelöst werde, im Streitfall nicht einschlägig sei. Ein Beschluss über eine Gewinnausschüttung sei nämlich nicht als erstmaliger Gewinnverteilungsbeschluss in diesem Sinne anzusehen, wenn zuvor ein Beschluss gefasst worden sei, den Gewinn zu thesaurieren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte hat zu Unrecht die Körperschaftsteuerminderungsbeträge bei der Zinsberechnung unberücksichtigt gelassen.
Zwar handelt es sich bei den für die Streitjahre gefassten Gewinnverteilungsbeschlüssen und den Ausschüttungen um rückwirkende Ereignisse im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und damit auch im Sinne des § 233 a Abs. 2 a AO.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile in BStBl II 1999, 634; BStBl II 2001, 326; und HFR 2001, 943), der sich der erkennende Senat in vollem Umfang anschließt, ist aber in Anbetracht der körperschaftsteuerechtlichen Besonderheiten und nach Sinn und Zweck der in § 233 a AO enthaltenen Zinsregelungen ein eingeschränktes Verständnis von Abs. 2 a der Vorschrift für den Fall geboten, dass es sich – wie im Streitfall – für das betreffende Wirtschaftsjahr um einen ...