Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter Steuersatz; Futtermittel
Leitsatz (redaktionell)
1. Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur (KN) festgelegt sind.
2. Sog. Silierhilfsmittel sind als Futtermittelzusatzstoffe nicht eine "Zubereitung von der zur Fütterung verwendeten Art" i.S.d. Pos. 2309 KN. Silierhilfsmittel sind selbst nicht zur Verwendung als Futter geeignet und bestimmt, sondern sie haben vielmehr eine rein "verfahrenstechnische" Funktion bei der Herstellung des Futtermittels "Grünfuttersilage".
Normenkette
EG-VO 1831/2003 Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1; EG-VO 1831/2003 Anhang I 1.k; Kombinierte Nomenklatur Pos. 2309; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für die Lieferung von sog. Silierhilfsmitteln der ermäßigte Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – gilt.
Die Klägerin betreibt einen Handel mit Futtermitteln sowie Beimischungen für den landwirtschaftlichen Bereich. U.a. vertreibt sie die Produkte „AA Granulat”, „APlus Granulat” und „A-Liquid”. Bei diesen Produkten handelt es sich um sog. „chemische Siliermittel bzw. Silierhilfsmittel”. Silierhilfsmittel dienen im Wesentlichen dazu, die Qualität von Grünfuttersilagen durch eine Verbesserung des Gärverlaufs und eine Hemmung von Gärschädlingen zu erhöhen.
Nach von der Klägerin eingereichten Werbematerialen schützen ihre Produkte „A-Plus Granulat” und „A-Liquid” die zur Gärung von Grünfutter notwendigen Milchsäurebakterien und reduzieren gleichzeitig die zu den gärschädlichen Bakterien gehörenden „Clostridien”. Auf diese Weise sollen diese beiden Produkte Fehlgärungen verhindern und die Silierung von mittelschwer bis schwer vergärbarem Grünfutter verbessern. Das Produkt „AA-Granulat” dient nach den Werbematerialien der Klägerin vor allem der Verhinderung der Nachgärung bei Maissilagen. Der in diesem Produkt enthaltene Wirkstoff „Natriumbenzoat” soll das Silo gegen Hefen und Schimmelpilze stabilisieren und das Futter hygienisieren. Verderb und Energieverluste durch die Gärschädlinge sollen dadurch weitestgehend unterbunden werden. Alle drei Produkte der Klägerin sollen die Schmackhaftigkeit des Futters erhalten und so die Futteraufnahme verbessern.
Für die Lieferung ihrer drei Silierhilfsmittel nahm die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2002 und 2003 den ermäßigten Umsatzsteuersatz in Anspruch. In den Umsatzsteuerbescheiden für 2002 und 2003, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen, folgte der Beklagte zunächst den Steuererklärungen der Klägerin.
Im Jahr 2004 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Der Prüfer holte bei der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt in Hamburg – ZPLA – hinsichtlich der o.g. Produkte sog. „unverbindliche Zolltarifauskünfte für Umsatzsteuerzwecke ein”. Die ZPLA kam zu dem Ergebnis, dass die drei Produkte der Klägerin die typische Zusammensetzung von Silierhilfsmitteln auf der Grundlage von Konservierungsmitteln hätten, deren wesentlicher Einsatzzweck in einer Verbesserung des Gärverlaufs und der Hemmung von Gärschädlingen, insbesondere Buttersäurebakterien, bestehe. Die drei Produkte der Klägerin seien daher unter der Nummer 3808 4090 90 0 der Zollnomenklatur einzureihen und dem Regelsteuersatz von 16 % zu unterwerfen. Im Betriebsprüfungsbericht vom 11. Februar 2005 folgte der Prüfer dieser Auskunft der ZPLA.
Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 28. Juni 2005 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Die Klägerin legte gegen die geänderten Bescheide Einsprüche ein. Der Beklagte holte im Einspruchsverfahren eine weitere Auskunft des ZPLA ein, das die Einreihung der Produkte der Klägerin in Kapitel 38 des Zolltarifs bestätigte. Die Einspruchsverfahren verliefen daher erfolglos. Durch Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2005 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Mit der erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass ihre drei Produkte unter Kapitel 23 des gemeinsamen Zolltarifs der EU (sog. „Kombinierte Nomenklatur”, im Folgenden „KN”) und nicht unter Kapitel 38 KN zu fassen seien.
Der Beklagte beziehe sich bei der von ihm vorgenommen Zuordnung zu Kapitel 38 KN vor allem auf die sog. „Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) (im Folgenden: „ErlHS”). Dort werde in Randziffer 40.0 und 47.2 zur Position 2309 KN ausgeführt, dass „Zubereitungen von der Art antimikrobieller Desinfektionsmittel, die bei der Herstellung von Tierfutter verwendet werden, um unerwünschte Mikroorganismen zu hemmen” nicht zur Pos. 2...