Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachzahlungszinsen bei freiwilliger Zahlung
Leitsatz (redaktionell)
Die ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift in Nr. 70.1.2 Satz 2 AEAO ist nicht zu beanstanden, soweit danach ein Erlass von Nachzahlungszinsen bei einer vorzeitigen Zahlung nur für jeweils volle Monate vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung in Betracht kommt.
Normenkette
AO §§ 233a, 5; FGO § 102; AO § 227
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, gegenüber der Klägerin festgesetzte Nachzahlungszinsen in Höhe von 3.186,40 EUR wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen.
Die Klägerin reichte Anfang April 2009 ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 beim Beklagten ein. Im Anschluss hieran zahlte die Klägerin am 09.04.2009 die sich danach voraussichtlich ergebenden Nachzahlungen an Einkommensteuer in Höhe von 910.412 EUR sowie die darauf entfallenden Nebenforderungen (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) an die Finanzkasse des Beklagten und bat darum, den Betrag in Höhe von insgesamt 1.115.471,08 EUR in Verwahrung zu nehmen und gesondert zu verbuchen. Dem stimmte der Beklagte zu und nahm den Betrag an.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 25.11.2009 wurde die Einkommensteuer für 2007 auf 946.789 EUR festgesetzt, wobei nach Abzug von Lohn- und Kapitalertragsteuer sowie Zinsabschlag ein verbleibender Betrag in Höhe von 910.520 EUR im Abrechnungsteil ausgewiesen wurde.
Im Rahmen dieses Bescheids wurden Zinsen zur Einkommensteuer in Höhe von 36.420 EUR festgesetzt. Bei der Berechnung dieses Nachzahlungszinsbetrages legte der Beklagte einen Steuerbetrag in Höhe von 910.500 EUR sowie einen Verzinsungszeitraum vom 01.04.2009 bis zum 30.11.2009, mithin für acht Monate zu 0,5 % = 4 % zugrunde.
Mit Schreiben vom 09.12.2009 beantragte die Klägerin beim Beklagten den Erlass der Zinsen in Höhe von 36.420 EUR.
Mit Bescheid vom 05.03.2010 sprach der Beklagte einen Teilerlass der Zinsen in Höhe von 31.868 EUR aus. In diesem Bescheid, der ohne Rechtsbehelfsbelehrung erging, berechnete der Beklagte fiktive Erstattungszinsen für den Zeitraum vom 09.04.2009 bis zum 09.11.2009, mithin für sieben Monate, bezogen auf eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 910.500 EUR Einkommensteuer und damit in Höhe von 31.868 EUR. Nicht erlassen wurde der Restbetrag der Zinsen in Höhe von 4.552 EUR (= 36.420 EUR ./. 31.868 EUR).
Gegen diesen Teilerlass legte die Klägerin am 19.05.2010 Einspruch ein und begehrte den Erlass auch der restlichen Zinsen in Höhe von 4.552 EUR.
Mit Einspruchsentscheidung vom 21.06.2010 wurde der Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Dabei führte der Beklagte aus, dass zwar grundsätzlich im Falle einer vorzeitig erfolgten und vom Finanzamt angenommenen und behaltenen Zahlung ein Erlass von Nachzahlungszinsen geboten sein könne. Allerdings setze dies nach Nr. 70.1.2 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 233 a AO ausdrücklich voraus, dass bei einer erst nach Beginn des Zinslaufs erbrachten Leistung ein voller Monat bis zur Wirksamkeit der Steuerfestsetzung vorgelegen haben müsse. Diese Voraussetzung sei im Streitfall insoweit nicht erfüllt, als gemäß der im angefochtenen Verwaltungsakt zutreffend erläuterten Berechnung unter Berücksichtigung der am 09.04.2009 erfolgten Zahlung sich volle Monate nur bis zum 09.11.2009 ergeben würden, mithin für sieben Monate. Für den verbleibenden Teil des Zinszeitraums werde hingegen kein voller Monat mehr erreicht, so dass insoweit auch keine Erlassgrundlage gegeben sei.
Im Rahmen ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, zwar seien Nachzahlungszinsen auch dann festzusetzen, wenn vor Festsetzung der Steuer freiwillige Zahlungen erbracht würden. Diese Nachzahlungszinsen seien jedoch aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, soweit der Steuerpflichtige auf die sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Steuernachzahlung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht habe und das Finanzamt diese Leistungen angenommen und behalten habe.
Die Klägerin habe am 09.04.2009 die Einkommensteuernachzahlung geleistet. Die Festsetzung der Einkommensteuer sei am 30.11.2009 wirksam geworden.
Eine Verzinsung nach § 233 a AO solle nach dem Willen des Gesetzgebers einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen aus welchen Gründen auch immer zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig würden. Durch die Festsetzung von Nachzahlungszinsen solle demzufolge ein Liquiditätsnachteil des Steuergläubigers ausgeglichen werden. Mit Leistung der freiwilligen Zahlung auf ihren noch festzusetzenden Einkommensteuernachzahlungsbetrag am 09.04.2009 habe die Klägerin jedoch keinen Liquiditätsvorteil mehr gegenüber solchen Steuerpflichtigen gehabt, deren Einkommensteuer für 2007 bereits im April 2009 fällig geworden sei. Bei diese...