Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verfassungswidrigkeit des Halbteilungsgrundsatzes im Kirchensteuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Halbteilungsgrundsatz im Kirchensteuerrecht ist ein Berechnungsgrundsatz und Zuteilungsgrundsatz, der die subjektive Steuerpflicht des Kirchenmitglieds nicht berührt, sondern lediglich eine verwaltungstechnische und arbeitseinsparende Bedeutung zwischen den kirchensteuererhebungsberechtigten Religionsgemeinschaften beinhaltet.
2. Der Halbteilungsgrundsatz ist lediglich bei glaubensverschiedenen Ehen, bei denen nur ein Ehegatte einer kirchensteuererhebungsberechtigten Kirche angehört, verfassungswidrig.
3. Zwischen Steuerschuldnerschaft und Gesamtschuldnerschaft ist rechtlich zu unterscheiden. Während eine Kirche Angehörige einer anderen Kirche nicht zur Kirchensteuer heranziehen darf, bleibt es ihr unbenommen, deren konfessionsverschiedene Ehegatten, soweit sie die Zusammenveranlagung gewählt haben, hinsichtlich der Kirchensteuer ihrer Mitglieder als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen.
4. Der Halbteilungsgrundsatz ist nicht deshalb verfassungswidrig, weil seine Anwendung bei „Kappung der Kirchensteuer” das Ausmaß der Nichterhebung der Kirchensteuer ändert. Die zur Vermeidung von Kirchenaustritten bei höherverdienenden Kirchenmitgliedern weitgehend erfolgende „Kirchensteuer-Kappung” setzt einen rechtlich nicht durchsetzbaren Steuererlaß i.S. der §§ 163, 227 AO voraus; vom Vorliegen einer entsprechenden Erlaßbedürftigkeit kann im Regelfall nicht ausgegangen werden.
Normenkette
KiStG NW § 6 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 §§ 163, 277; KiStG BY Art. 9 Abs. 1; KiStG BY Art. 10
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger (Kl.) hatte im Streitjahr 1990 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung, seine Ehefrau Einkünfte aus unselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen in unterschiedlicher Höhe. Für den Kl., der der römisch-katholischen (r.-k.) Kirche angehört und der zusammen mit seiner evangelischen (ev.) Ehefrau zur Einkommen- und Kirchensteuer veranlagt wurde, ist die Kirchensteuer nach dem sog. Halbteilungsgrundsatz berechnet und festgesetzt worden. Die aus den zu versteuernden Einkünften beider Ehegatten abgeleitete Kirchensteuer ist für den Kl. und seine Ehefrau hälftig mit … DM r.-k. und dem gleichen Betrag ev. Kirchensteuer festgesetzt worden.
Hiergegen legte der Kl. unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 8. Mai 1991 (I R 26/86, BFHE 164, 573, DStR 1991, 1217, BB 1991, 1778 (L)) Einspruch ein, den der Beklagte (Bekl.), der Stadtkirchenverband Köln, durch Entscheidung vom 25. März 1992 als unbegründet zurückwies. Das vorgenannte BFH-Urteil habe die Vorschrift des § 11 der AusfVO zum bayerischen KiStG, in dem eine Gesamtschuldnerschaft der Ehegatten bei konfessionsverschiedener Ehe festgelegt sei, mangels notwendiger Ermächtigungsgrundlage im Gesetz als rechtswidrig angesehen. Die BFH-Entscheidung treffe nur bayerische Verhältnisse. In Nordrhein-Westfalen schreibe § 6 Abs. 1 KiStG bei konfessionsverschiedener Ehe und Zusammenveranlagung vor, daß die Kirchensteuer von beiden Kirchen jeweils von der Hälfte des Zuschlags zu Einkommen- bzw. Lohnsteuer erhoben werde, und zusammenveranlagte Eheleute – kraft Gesetzes – als Gesamtschuldner haften.
Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung trägt er vor: Der Einwand des Bekl., die BFH-Entscheidung sei in Nordrhein-Westfalen nicht anwendbar, könne nicht überzeugen, weil der vom BFH verworfene Berechnungs- und Zurechnungsgrundsatz in beiden Gesetzen identisch sei. Mit der Klage begehrt er, die ev. Kirchensteuer ausschließlich gegen den ev. Partner und ausschließlich nach seinem Einkommen festzusetzen.
Der Kl. beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 25. 3. 1992 aufzuheben und Einkommen- und Kirchensteuerbescheide für das Jahr 1990 vom 20. 12. 1991 hinsichtlich der Kirchensteuer dahin abzuändern, die ev. Kirchensteuer ausschließlich gegen den ev. Ehepartner und ausschließlich nach dessen Einkommen festzusetzen.
Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage kann sachlich keinen Erfolg haben.
Die Kirchensteuer (KiSt) wird in Nordrhein-Westfalen (NW) aufgrund des KiStG NW vom 22. 4. 1975 erhoben, das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 vorschreibt, daß, wenn Ehegatten verschiedenen steuerberechtigten Kirchen angehören und die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer vorliegen, die Kirchensteuer von beiden Kirchen je zur Hälfte erhoben wird (sog. Halbteilungsgrundsatz). Aus § 6 Abs. 1 letzter Satz KiStG NW geht die gesetzlich verankerte Bestimmung hervor, daß die Ehegatten als Gesamtschuldner haften.
Zwar sieht auch das bayerische Gesetz über die Erhebung von Steuern durch Kirchen … (bayer. KiStG) in Artikel 9 Abs. 1 vor, daß, wenn nicht dauernd getrennt lebende umlagepflichtige Ehegatten verschiedenen umlageberechtigten Gemeinschaften angehören (sog. konfessionsverschi...