Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreitageszeitraum des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 als Frist i.S. des § 108 Abs. 3 AO 1977. Rücknahme eines teilweise begünstigenden Haftungsbescheids durch Einspruchsentscheidung. Beschränkung der Haftung nach § 69 AO 1977. Rechtswidrigkeit eines Leistungsgebots. Haftung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Dreitagesfrist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 verlängert sich bis zum nächstfolgenden Werktag, wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt (Anschluss an die BFH-Urteile vom 17.9.2002 IX R 68/98, BFH/NV 2003, 91 und vom 3.5.2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365).
2. Die Rücknahme eines teilweise begünstigenden Haftungsbescheids und der Erlass eines neuen Haftungsbescheids, der nachträglich eine höhere Belastung vorsieht, ist nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO 1977 zulässig.
3. Für die Haftungsinanspruchnahme eines von mehren GmbH-Geschäftsführern nach § 69 AO 1977 ist es unerheblich, ob nach der mündlichen Aufgabenverteilung in der Geschäftsführung der GmbH eine Zuständigkeit für die steuerlichen Angelegenheiten nicht bestand.
4. Ein Leistungsgebot ohne Angabe des Zahlungsziels ist nicht rechtswidrig.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 108 Abs. 3, § 130 Abs. 2, § 132 S. 1, §§ 69, 34, 191 Abs. 1 S. 1, § 254 Abs. 1 S. 1, § 220
Nachgehend
Tenor
Abweichend von dem Haftungsbescheid vom 5. November 1998 und dem geänderten Haftungsbescheid vom 29. April 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2001 wird die Haftungssumme auf 9.045,- DM festgesetzt.
Abweichend von dem Leistungsgebot vom 15. Februar 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01. Juni 2001 wird der Zahlungsbetrag auf 9.045,- DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 9/10 und der Kläger zu 1/10 zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 100 v.H. der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 39.813,00 EUR.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Inanspruchnahme des Klägers als Haftenden für Umsatzsteuerschulden sowie steuerliche Nebenleistungen der … Sanitär- und Installationstechnik GmbH (= GmbH).
Die GmbH wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 04. April 1997 errichtet und am 09. Mai 1997 ins Handelsregister des Amtsgerichts … (HRB …) eingetragen. Gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrages wurden der Kläger und Herr … zu Geschäftsführern bestellt. Die Geschäftsführer waren alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Am 22. Dezember 1997 wurde Herr … als weiterer Geschäftsführer der GmbH in das Handelsregister eingetragen. Herr … war ebenfalls alleinvertretungsbefugt.
Am 28. Dezember 1997 erteilte die GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer … und …, Herrn … eine Handlungsvollmacht gemäß § 54 Handelsgesetzbuch (HGB). Darüberhinaus berechtigte die Handlungsvollmacht auch zur Führung von Prozessen und allen Aufgaben, die den Geschäftsführern nach dem Gesellschaftsvertrag zustehen, insbesondere auch zur Einberufung von Gesellschafterversammlungen und zur Vorsitzführung bei diesen. Herr … war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Gesellschafter … und … haben Herrn … ermächtigt, ihre Stimmrechte wahrzunehmen.
Durch Beschluss des AG … vom 19. Januar 1998 (N 477/97) wurde in dem Verfahren zur Gesamtvollstreckung über das Vermögen der GmbH gegen die GmbH ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen. Durch Beschluss des AG … vom 26. Januar 1998 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren nach Antragsrücknahme eingestellt. Ein Sequester ist nicht tätig geworden.
Der GmbH wurde am 12. März 1998 ein Vollstreckungsbescheid des AG … zugestellt. Der Vollstreckungsbeamte des Beklagten hat am 14. Mai 1998 vergeblich eine Vollstreckung bei der GmbH versucht, jedoch unter der angegebenen Firmenanschrift niemanden angetroffen. Eine gegenüber der Raiffeisenbank … e. G. erlassene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15. April 1998 war erfolglos, da die GmbH keine Ansprüche gegen die Bank hatte. Die vom Finanzamt … im Wege der Amtshilfe für den Beklagten am 02. November 1998 durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen bei Herrn … verliefen ergebnislos.
Am 19. März 1999 stellte die IKK Mecklenburg-Vorpommern den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Durch Beschluss des AG … (IN 105/99) vom 01. April 1999 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Trotz mehrfacher Aufforderungen durch die zur Gutachterin bestellte Rechtsanwältin … machte Herr … keine Aussagen zu den Vermögensverhältnissen der GmbH. Da der Rechtsanwältin … in dem Insolvenzverfahren der GmbH die nötigen Ausk...