Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke. keine Aussetzung der Vollziehung wegen öffentlichem Interesse an geordneter öffentlicher Hauswirtschaft
Leitsatz (redaktionell)
Der wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der durch das Unternehmersteuerreformgesetz 2008 geschaffenen Zinsschranken-Regelung des § 8a KStG i. V. m. § 4h EStG gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist – unabhängig davon, ob Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Neuregelung bestehen – abzulehnen. Dies folgt daraus, dass dem formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetz ein Geltungsanspruch zukommt und dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft der Vorrang gegenüber dem Aussetzungsinteresse einzuräumen ist (Anschluss an FG München v. 1.7.2010, 1 V 272/09).
Normenkette
KStG § 8a; EStG § 4h; GG Art. 3 Abs. 1; Unternehmensteuerreformgesetz 2008; FGO § 69
Nachgehend
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der den Steuerbescheiden zugrunde liegenden sog. Zinsschranke.
Die Antragstellerin ist eine Aktiengesellschaft. Ihr Unternehmensgegenstand ist der Erwerb, die Nutzung und die Verwaltung von Liegenschaften auf eigene Rechnung, nicht aber in gewerbsmäßiger Art und Weise. Aktionäre der Antragstellerin mit jeweils 50 % der Anteile sind Herr A und die B-GmbH. Herr C ist eine der Anteilseignerin B-GmbH nahestehende Person, weil er an dieser zu insgesamt 25 % unmittelbar und mittelbar beteiligt ist. Die Antragstellerin ist kein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 271 Abs. 2 HGB und wird insbesondere nicht in den Konzernabschluss der B nach den Vorschriften über die Vollkonsolidierung einbezogen.
Die Beteiligten stimmen darin überein, dass in den Streitjahren die Regelungen der § 8a Abs. 1 Körperschaftsteuer (KStG) i.V.m. § 4h Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Besteuerung der Antragstellerin zur Anwendung kommen. Die Antragstellerin verfügt über beträchtlichen Immobilienbesitz, dessen Anschaffung zu weit überwiegenden Teilen fremdfinanziert wurde. Aufgrund dessen wendete sie in sämtlichen Streitjahren Darlehenszinsen auf, die die Höhe ihres verrechenbaren EBITDA zuzüglich ihres Zinsertrags überstiegen. Die Freigrenze von 3 Mio. EUR wurde ebenfalls deutlich überschritten. Die Antragstellerin kann die Escape-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG nicht in Anspruch nehmen. Es liegt ein Gesellschafterdarlehen der B-GmbH vor. Ferner haben sich A und C für Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber den darlehensgewährenden Banken persönlich verbürgt. Die Summe der Zinsen für Gesellschafterdarlehen und der rechnerischen Bürgschaftszinsen für Verbindlichkeiten, für die A bzw. C persönliche Bürgschaften übernommen haben, übersteigt die maßgebliche 10 % – Grenze des § 8a Abs. 2 KStG für eine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung.
Die Antragsgegnerin (nachfolgend: Finanzamt) behandelte im Streitjahr 2008 Zinszahlungen in Höhe von 4.035.931 EUR als nichtabziehbare Betriebsausgaben im Sinne des § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG und stellte den verbleibenden Zinsvortrag nach § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG auf denselben Betrag fest (geänderter Körperschaftsteuerbescheid vom 24. Januar 2011). Im Streitjahr 2009 betrug der als nichtabziehbar behandelte Zinsaufwand 3.236.283 EUR, der verbleibende Zinsvortrag erhöhte sich auf 7.272.214 EUR (Körperschaftsteuerbescheid vom 28. Januar 2011). Die festgesetzte Körperschaftsteuer belief sich für das Streitjahr 2008 auf 9.146 EUR zuzüglich 409 EUR Solidaritätszuschlag und für das Streitjahr 2009 auf 516.203 EUR zuzüglich 28.391,39 EUR Solidaritätszuschlag. Mit Bescheid vom 9. Februar 2011 wurde die Körperschaftsteuervorauszahlung für 2010 auf ebenfalls 516.203 EUR zuzüglich 28.391,16 EUR Solidaritätszuschlag festgesetzt, dabei wurde das gleiche Betriebsergebnis wie für 2009 unterstellt.
Gegen die Bescheide vom 24. Januar, 28. Januar und 9. Februar 2011 legte die Antragstellerin jeweils fristgerecht Einspruch ein. Eine Einspruchsentscheidung ist noch nicht ergangen. Die ebenfalls beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das Finanzamt mit Verwaltungsakt vom 24. Februar 2011 bzw. 4. März 2011 ab.
Zur Begründung ihres Antrags beruft die Antragstellerin sich ausschließlich auf die ihrer Rechtsauffassung nach gegebene Verfassungswidrigkeit der sog. Zinsschranke. § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h EStG verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner konkreten Ausprägung als objektives Nettoprinzip sowie auch gegen das Folgerichtigkeitsverbot. Die Regelung sei zur vom Gesetzgeber intendierten Bekämpfung der Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland viel zu grob gestrickt und richte schwerwiegende Kollateralschäden bei Unternehmen an, deren Gesch...