Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Wechsel der Gewinnermittlungsart zur Bilanzierung nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG. Qualifizierung der ausgezahlten Vorschüsse nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG als Betriebseinnahmen oder als Darlehen im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Antragsteller (Ast) ist nicht buchführungspflichtig gewesen. Er hat zwar als Handelsvertreter ein Handelsgewerbe betrieben. Jedoch ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Unternehmen des Ast einen nach Art und Umfang eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert hat, vgl. § 1 Abs. 2 HGB, oder im Handelsregister eingetragen ist. Die vom Ast erzielten Provisionen erforderten einen derartigen Geschäftsbetrieb nicht.
2. Da der Ast nur die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aufgezeichnet hat, hat er aufgrund dieser tatsächlichen Handhabung sein Wahlrecht i. S. einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt.
3. Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine kaufmännische Buchführung eingerichtet hat.
4. Ermittelt ein Handelsvertreter den Gewinn durch Überschussrechnung – wie der Ast – so muss er die erhaltenen Provisionsvorschüsse gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Jahr des Zuflusses als Einnahmen ansetzen. Hiervon ist das Darlehen abzugrenzen, bei dem der Eingang des Geldes aus einer Schuldaufnahme stammt und welches nicht als Betriebseinnahme i. S. v. § 4 Abs. 3 EStG anzusehen ist.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; AO §§ 140-141; HGB § 238; EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Klageverfahren 2 K 1704/13, für das die Antragsteller (Ast) unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen, ob der Ast in den Streitjahren die Gewinnermittlungsart von § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hin zur Bilanzierung nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG noch wechseln konnte und wenn nein, ob die an den Ast ausgezahlten Vorschüsse nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG als Betriebseinnahmen oder als Darlehen im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu qualifizieren sind. Die vom Beklagten für die Streitjahre jeweils festgestellte Höhe der Vorschüsse an den Ast ist nicht streitig.
Die Antragsteller (Ast) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren beim Beklagten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Daneben wurde der Ast aufgrund seines Gewerbes als Versicherungsvermittler zum Gewerbesteuermessbetrag 2004 und 2005 veranlagt.
Der Ast meldete am 23. November 2000 ein Gewerbe als Versicherungsvermittler bei der Gemeinde an und ermittelte seither seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 EStG.
Lt. der Vertriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2003 sollte der Ast als freier Handelsvertreter für die X-Makler Service GmbH (X-GmbH) Versicherungen vertreiben. Nach § 3 der Vertriebsvereinbarung mit der X-GmbH sollte der Ast als Kooperationspartner für seine Vermittlungsleistungen Provisionen und ab Vertragsbeginn einen wöchentlichen Vorschuss von 3.000 EUR erhalten, der dann mit den laufenden Provisionen verrechnet werden sollte. Sollten die Vorschüsse nicht ins Verdienen gebracht werden, sollte der Ast verpflichtet sein, diese in monatlichen Raten von 500 EUR nach der ersten Aufforderung zurückzuzahlen. Nach § 9 der Vertriebsvereinbarung sollte die X-GmbH monatlich eine Abrechnung erstellen, die Provisionen ausbezahlen lassen bzw. die Auszahlung veranlassen.
Lt. der Vertriebsvereinbarung vom 15. März 2004 sollte der Ast mit der Unterzeichnung Kooperationspartner sein und als freier Handelsvertreter für die …Capital Fonds GmbH & Co KG (nachfolgend Capital-Fonds) tätig sein. Er sollte Capital-Fonds-Anteile vertreiben oder Anleger zum Kauf von Capital-Fonds-Anteilen vermitteln und dafür eine in § 3 definierte Provision erhalten. Vorschüsse wurden nicht vereinbart. Die Capital-Fonds sollte 14-tägig eine Abrechnung erstellen und die Provisionen ausbezahlen (§ 8 der Vertriebsvereinbarung).
Lt. einem Auszug der Bilanz zum 31. Dezember 2004 wies die Capital-Fonds einen Aktivposten „Darlehen gg. Ast” in Höhe von 109.042,77 EUR aus.
Am 15. August 2005 schloss der Ast mit der Capital-Fonds einen sog. Gelddarlehensvertrag für den Aufbau eines Vertriebsnetzes für die Capital-Fonds ab. Nach diesem Vertrag sollte die Capital-Fonds als Darlehensgeber dem Ast als Darlehensnehmer ein Darlehen in Form von seit Januar 2004 (von der X-GmbH) überwiesenen Vorschüssen von insgesamt 162.000 EUR gewährt haben. Nach dem Darlehensvertrag sollten Zins- und Tilgungszahlungen ab Juli 2006 erfolgen.
Mit Kontrollmitteilung vom 17. Mai 2006 teilte das Finanzamt S dem Finanzamt G mit, dass der Ast im Jahr 2005 Vermittlungsprovisionen in Höhe von 32.209,77 EUR von der … AG erhalten habe.
Am 6. Juli 2006 kündigte die Capital-Fonds die Vertriebsvere...