Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Einspruchs eines Steuerberaters gegen dessen Einkommensteuerbescheid mit ESt 0 EUR, wenn im Klageverfahren die Änderung des Verlustfeststellungsbescheids begehrt wird
Leitsatz (redaktionell)
1. Außerprozessuale Verfahrenserklärungen sind entsprechend § 133 BGB auszulegen.
2. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert aus Sicht des Erklärungsempfängers. Der Kläger hat sich bei seinem Einspruch eindeutig gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 gewandt. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert aus Sicht des Erklärungsempfängers. Dieser ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus dem Verhalten des Klägers im weiteren Verfahren. Der Auslegung steht nicht entgegen, dass das Schreiben von einem Steuerberater verfasst worden ist.
Normenkette
BGB § 133; AO § 357 Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wurde im Streitjahr (2005) beim Beklagten (dem Finanzamt) zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Leibrenten, Kapitalvermögen und privaten Veräußerungsgeschäften.
Im September 2005 veräußerte der Kläger eine vermietete Immobilie mit Ladengeschäften (in L) für 6.589.000 EUR. Die zur Finanzierung vom Kläger aufgenommenen Darlehen wurden vor Ablauf der Darlehenslaufzeit getilgt und der Kläger musste deswegen eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 330.759 EUR an die Landesbank X bezahlen. Den restlichen Kaufpreis in Höhe von 1.665.402,36 EUR transferierte er auf eine Bank in Österreich und erwarb im Februar 2006 davon Dax-Aktien.
In dem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO – geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 vom 31. Mai 2007 wurden vom Finanzamt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von – 410.773 EUR berücksichtigt. Die festgesetzte Einkommensteuer 2005 betrug 0 EUR. Den Vorbehalt der Nachprüfung ließ das Finanzamt bestehen.
Für die Jahre 2003 bis 2007 fand beim Kläger eine Betriebsprüfung vom 1. Dezember 2008 bis 15. Januar 2009 statt. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31. Dezember 2004 betrug nach den Feststellungen des Prüfers 789.725 EUR. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung stellte der Prüfer im Jahr 2005 nun mit 11.383 EUR fest. Denn während der Außenprüfung teilte der Kläger die Einschätzung des Prüfers dahingehend, dass die Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 330.759 EUR wegen der vorzeitig getilgten Darlehen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden könne (vgl. Bericht über die Außenprüfung vom 23. Januar 2009, Seite 5).
Mit Bescheid vom 3. April 2009 änderte das Finanzamt nach § 164 Abs. 2 AO den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustsabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2005 und stellte den verbleibenden Verlustvortrag in Höhe von 802.574 EUR fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Die Feststellungen der Außenprüfung waren noch nicht berücksichtigt.
Am 13. Mai 2009 erließ das Finanzamt aufgrund der Feststellungen des Betriebsprüfers nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide. Im Einkommensteuerbescheid 2005 blieb aufgrund des hohen Verlustvortrags zum 31. Dezember 2004 die bisher mit 0 EUR festgesetzte Einkommensteuer 2005 unverändert. Der vortragsfähige Verlust zum 31. Dezember 2005 verringerte sich jedoch von bisher 802.574 EUR auf 455.094 EUR und wurde vom Finanzamt entsprechend festgestellt. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde in den geänderten Bescheiden aufgehoben.
Am 22. Mai 2009 legte der Kläger Einspruch „gegen den aufgrund der Betriebsprüfung geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 vom 13. Mai 2009” ein und beantragte, die von der Betriebsprüfung nicht zum Abzug zugelassene Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 330.759,00 EUR beim Vermietungs- und Verpachtungsobjekt in L, als Werbungskosten anzuerkennen.
Am 3. Juli 2009 übersandte das Finanzamt dem Kläger die Stellungnahme des Betriebsprüfers zum „Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 13. Mai 2009”.
Am 14. Juli 2009 teilte das Finanzamt dem Kläger zum „Einspruch vom 22. Mai 2009 gegen folgenden Verwaltungsakt: – Einkommensteuerbescheid 2005” seine Rechtsauffassung mit, dass die Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten abziehbar sei.
Am 27. Juli 2009 erwiderte der Kläger unter dem Betreff: „ESt-Bescheid 2005, Ihr Schreiben vom 14. Juli 2009”, dass er mit dem Liquiditätsüberschuss direkt und unmittelbar Dax-Aktien erworben habe. Gleichzeitig bat er um eine Einspruchsentscheidung.
Nach Eingang einer erneuten Stellungnahme des Betriebsprüfers teilte das Finanzamt dem Kläger zum Betreff „Einspruch vom 22. Mai 2005 gegen den Einkommensteuerbescheid 2005; Ihr Schreiben vom 27. Juli 2009” unter erneuter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (u.a. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2005...