Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen
Leitsatz (redaktionell)
Die Verwaltungsregelung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Normenkette
AO § 163
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Kläger einen Anspruch auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer (ESt) haben, die im Ergebnis zur Steuerfreiheit (als Sanierungsgewinn) des Ertrags aus einem Schulderlass führt.
Die Kläger werden vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für das Streitjahr 2000 zur ESt zusammenveranlagt.
Der Kläger betreibt eine Röntgenpraxis in A. Seine Ehefrau ist dort angestellt. Darüber hinaus haben die Eheleute Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie die Ehefrau in geringem Umfang aus einem Handelsgeschäft, der Kläger außerdem aus einer Beteiligung an einer Apparategemeinschaft. Das FA veranlagte die ESt für das Streitjahr zunächst unter Übernahme der erklärten Zahlen und der Mitteilung des Betriebsfinanzamtes A über die Einkünfte des Klägers aus der Praxis in Höhe von XX.XXX,–DM.
Eine Außenprüfung (BP) bei der Praxis mündete in eine geänderte Gewinnfeststellung, durch die sich die festgestellten Einkünfte des Klägers aus dieser Praxis auf 1.XXX.XXX,–DM erhöhten. Der höhere Gewinn ergab sich im Wesentlichen daraus, dass das Betriebsfinanzamt der BP folgend den Verzicht eines Gläubigers der Praxis, der Y, auf eine Teil-Forderung über 1.XXX.XXX,XX DM (Schreiben vom 21. November 2000) nicht als steuerbegünstigten Sanierungsgewinn beurteilte.
Den Antrag der Kläger auf Teil-Erlass/Stundung (unter Berufung auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen [BMF] vom 27. März 2003 IV A6-S 2140-8/03, BStBl I 2003, 240) mit Schreiben vom 25. November 2004 lehnte das FA mit Bescheid vom 27. Januar 2006 mit der Begründung ab, dass die in diesem Schreiben aufgestellten Voraussetzungen für einen Sanierungsgewinn nicht vorlägen. Der Einspruch mit Schreiben vom 20. Februar 2006 blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 19. Oktober 2006 ohne Erfolg.
Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen entsprechend dem vorstehend genannten BMF-Schreiben vorlägen, und setzen sich im Einzelnen mit der abweichenden Tatsachenwürdigung des FA auseinander. Nur durch den Schuldenerlass dieses Gläubigers sei der Konkurs der Praxis vermieden worden.
Die Kläger beantragen,
eine abweichende Festsetzung der Einkommensteuer 2000 aus sachlichen und persönlichen Billigkeitsgründen durchzuführen, indem der Schuldenerlass in Höhe von X.XXX.XXX,XX DM bei der Berechnung der Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit als nicht gewinnerhöhend gewertet wird, hilfsweise die Zulassung der Revision.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Es bezieht sich im Wesentlichen auf die EE, auf die wegen der dortigen Rechtsausführungen im Einzelnen verwiesen wird.
Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2007 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das FA hat im Ergebnis zu Recht eine abweichende Steuerfestsetzung abgelehnt.
Nach § 163 der Abgabenordnung (AO) können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Nach Satz 2 der Vorschrift ist darüber hinaus eine vom Regelfall abweichende zeitliche Zuordnung einzelner Besteuerungsgrundlagen möglich. Nach allgemeiner Auffassung ist der Begriff der Unbilligkeit in § 163 AO derselbe wie in § 227 AO, so dass die Unbilligkeit aus sachlichen wie persönlichen Gründen gegeben sein kann.
Für die Behandlung von Sanierungsgewinnen hat das BMF im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder mit Schreiben vom 27. März 2003 IV A6-S 2140-8/03, BStBl I 2003, 240, eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die die Anwendung der Billigkeitsregeln für diese Fälle vereinheitlichen soll. Mit Ausnahme einer modifizierten Verrechnung vorhandener Verluste und negativer Einkünfte setzt dieses Schreiben die faktische Rechtsfolge des früheren § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Wege der Billigkeit wieder in Kraft. Die von der Rechtsprechung zum früheren § 3 Nr. 66 EStG gefundenen Rechtsgrundsätze wurden in dem BMF-Schreiben inhaltlich übernommen. Nach Randzahl 13 des Schreibens ist dieses in allen noch offenen Fällen anzuwenden, für die die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (BGBl I 1997, 821) nicht mehr gilt. § 33 Nr. 66 EStG, die vormalige Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen, hat der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 29....