Entscheidungsstichwort (Thema)
Unabhängigkeit einer Brauerei als Voraussetzung für ermäßigten Biersteuersatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Brauerei ist nur dann unabhängig i. S. d. Biersteuergesetzes sowie der Richtlinie 92/83/EWG und zur Inanspruchnahme des ermäßigten Biersteuersatzes nach § 2 Abs. 2 BierStG berechtigt, wenn sie sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich unabhängig ist. Wird eines der beiden Merkmale nicht erfüllt, kommt die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes nicht in Betracht. Der ermäßigte Biersteuersatz soll nur kleinen Brauereien zugute kommen und damit eine Verzerrung des Binnenmarktes vermieden werden.
2. Eine Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass zwischen einzelnen Brauereien strukturelle Verflechtungen bei Beteiligungen und Stimmrechten bestehen, und die ein und derselben Person unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten die Möglichkeit bietet, auf geschäftliche Entscheidungen dieser Brauereien Einfluss zu nehmen, schließt es aus, diese Brauereien als voneinander wirtschaftlich unabhängig anzusehen.
3. Zur Beurteilung der Abhängigkeit i. S. d. Biersteuerrechts kommt es nicht auf nationale gesellschaftsrechtliche Regelungen z. B. im AktG bzw. GmbHG, sondern auf die in der Richtlinie 92/83/EWG enthaltenen Kriterien und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil v. 2.4.2009, Rs. C-83/08) an; die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zwischen mehreren Brauerereien setzt nicht zwingend eine Personalunion auf Geschäftsführerebene voraus.
Normenkette
BierStG § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1; Richtlinie 92/83/EWG Art. 4 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob für das Kalenderjahr 2002 die Biersteuerschuld unter Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes festzusetzen ist.
Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Herstellung und der Vertrieb von Bier. Sie verfügt über eigene Betriebsräume und braut nicht unter Lizenz. Die Jahreserzeugung der Klägerin lag im Jahr 2002 für sich betrachtet unter 200.000 hl.
Der alleinige Gesellschafter der Klägerin ist die A. Brauerei AG (A), mit der ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag besteht, wonach die Klägerin u. a. verpflichtet ist, ihren gesamten Bilanzgewinn an die A abzuführen. Außerdem ist sie an die Weisungen der A gebunden. Die A hat etwaige Verluste der Klägerin zu übernehmen (vgl. Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag vom …).
Das stimmberechtigte Aktienkapital der A liegt zu 49 % bei der B. Brauerei AG (B), …, zu 30,7 % bei der C…-GmbH (C GmbH) und im Übrigen in Streubesitz.
Die B. gehört u. a. zu 70,27 % der X … AG (X), an der wiederum die Familie C. zu 16 % beteiligt ist.
Die Vorstände der B. sind Herr … C und Frau W. Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Vorstandsvorsitzenden, Herrn C., ausschlaggebend. Herr C. ist zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer der C-GmbH. Weiterhin ist er als Aufsichtsratsvorsitzender der A eingesetzt. Alleiniger Vorstand der A. ist Herr F.
Mit Steueränderungsbescheid vom 21. März 2003 setzte das Hauptzollamt, dessen Rechtsnachfolger das Hauptzollamt (HZA) geworden ist, unter Anwendung der ermäßigten Biersteuersätze für das Kalenderjahr 2002 zunächst Biersteuer i.H.v. … EUR fest.
Mit einem weiteren Steueränderungsbescheid vom 6. September 2005 erhöhte das HZA die Biersteuer für das Kalenderjahr 2002 auf … EUR, weil aufgrund der festgestellten Abhängigkeit der Klägerin von der B und einer Gesamtjahreserzeugung von zusammen mehr als 200.000 hl die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes nicht in Betracht komme.
Den dagegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit seiner Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2006 im Wesentlichen mit folgender Begründung zurück: Die Klägerin sei wirtschaftlich von der B abhängig. Herr C. sei ständig in der Lage, in seiner Person die Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung der A zu vereinen. Die B sei aufgrund der mittelbar bestehenden Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung der A in der Lage, die Wahl des Aufsichtsrates und dadurch die Bestimmung des zur Geschäftsführung befugten Vorstands der A zu beherrschen. Der B sei dadurch die Möglichkeit der beherrschenden Einflussnahme auf die A. eröffnet. Die Klägerin selbst sei über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ein von der A. abhängiges Unternehmen. Weil die Stimme des C. im Vorstand der B. ausschlaggebend sei, sei die B mittelbar über C. in der Lage, durch übereinstimmende Stimmabgabe der A. und der C-GmbH den Vorstand und den Aufsichtsrat zu bestimmen.
Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage, die sie im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Es bestünden keine wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der B., die eine wirtschaftliche Abhängigkeit ihrerseits von der B. begründen würden. Sie handele vielmehr wirtschaftlich selbständig. Es bestehe kein Beherrschungsvertrag mit der B. Ferner liege auch kei...