Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Der Pflichtteilsanspruch ist bereits geltend gemacht, wenn die Anwälte der Pflichtteilsberechtigten (Ehefrau des Erbl.) unter Vollmachtsvorlage der Erbin (Tochter) kundtun, dass sie beauftragt sind, den ihr zustehenden Pflichtteilsanspruch geltend zu machen und das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter schon bereits sehr angespannt war.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 10 Abs. 5 Nr. 2; BGB § 2303 Abs. 2; AO § 174 Abs. 5
Nachgehend
BFH (Rücknahme vom 22.07.2004; Aktenzeichen II B 165/02) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Witwe des Erblassers den ihr gesetzlich zustehenden Pflichtteil gegenüber der Erbin (Klägerin) geltend gemacht hat (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 5 Nr. 2 Erbschaftsteuergesetz – ErbStG –).
I.
Der am 11.01.1991 verstorbene Erblasser … wurde aufgrund des notariellen Testaments vom 06.04.1984 von seiner Tochter der Klägerin allein beerbt (vgl. Erbschein des Amtsgerichts … vom 23.01.1992 Bl. 12 FA-Akte).
In ihrer Erbschaftsteuererklärung machte die Klägerin als Verbindlichkeit einen Pflichtteilsanspruch der Ehefrau des Erblassers, B., in Höhe von 1.921.498,91 DM geltend (Bl. 45/FA). Die Pflichtteilsberechtigte habe nach der Geltendmachung auf den Anspruch mit notariellem Vertrag vom 25.03.1992 (Ur-Nr. C 533/1992, Bl. 108 ff/FA) verzichtet. Als Gegenleistung dafür habe die Erbin auf ihren Pflichtteil im Falle des Todes ihrer Mutter verzichtet (Bl. 71/FA).
Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 24.10.1994 (Bl. 97), geändert mit Bescheid vom 07.04.1995 (Bl. 132) setzte das Finanzamt für den Pflichtteil in Höhe von 1.921.498 DM die Erbschaftsteuer gegenüber der Pflichtteilsberechtigten auf 156.354 DM fest. Der Bescheid erging gem. § 165 AO hinsichtlich der Vorschenkungen und der Höhe des Pflichtteilsanspruchs und des Freibetrags nach § 17 ErbStG vorläufig.
Die Pflichtteilsberechtigte erhob dagegen Einspruch.
Mit Änderungsbescheid vom 08.12.1994, gem. § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehend, hatte der Beklagte, das Finanzamt, bei der Klägerin die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs als erwerbsmindernde Nachlassverbindlichkeit die Erbschaftsteuer auf 694.884 DM festgesetzt.
Das Finanzamt zog die Klägerin zum Einspruchsverfahren der Pflichtteilsberechtigten hinzu (Bl. 220/FA). Diese führte aus, dass die Pflichtteilsberechtigte über ihre Rechtsanwälte G. und J. bereits mit Schreiben vom 11.03.1991 (Bl. 184/FA) den Pflichtteil geltend gemacht habe, denn in diesem Schreiben heiße es wörtlich: „Den ihr gemäß § 2303 Abs. II BGB zustehenden Pflichtteilsanspruch sind wir geltend zu machen beauftragt.”
Die Schreiben der beauftragten Rechtsanwälte könnten nicht als bloßes Auskunftsverlangen angesehen werden, da die Ansprüche auch nach Vorlage des Nachlassverzeichnisses, also nach Erfüllung des Auskunftsverlangens, weiterverfolgt worden seien.
Der im notariellen Vertrag vom 25.03.1992 ausgesprochene Pflichtteilsverzicht setze notwendig voraus, dass dieser vorher geltend gemacht wurde. Es sei nicht auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen, sondern auf (bereits geltend gemachte) Pflichtteilsansprüche verzichtet worden. Die Pflichtteilsberechtigte habe ihren Pflichtteilsanspruch nicht nur geltend gemacht, sondern sie habe auch über diesen Anspruch verfügt, indem sie ihn als Gegenleistung für den Verzicht von Huberta Edle von Maffei verwendet habe. Der notarielle Vergleich stelle ein Gesamtpaket dar. Nur wegen der tatsächlich geltend gemachten Pflichtteilsansprüche, die ein erhebliches Zahlungsrisiko für die Klin bedeutet hätten, sei es zu dem Gesamtvergleich gekommen. Mit Einspruchsentscheidung vom 06.11.2000 folgte das Finanzamt den Argumenten der Pflichtteilsberechtigten, wonach weder in diesem Schreiben noch in dem Verzicht eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs liege (Bl. 247 ff/FA). Es folgte vor allem der auf seine Aufforderung vom 21.03.2000 eingereichten eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwälte der Pflichtteilsberechtigten, wonach vor Klärung des Nachlasswerts eine Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs noch nicht erfolgt sei (s. Bl. 227, 230).
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht worden sei und deshalb die Einspruchsentscheidung gegenüber der Beigeladenen zu ändern sei. Nach Übersendung des Nachlassverzeichnisses und der Diskussion zahlreicher Detailfragen zum Bestand des Nachlasses sei der Anspruch weiter verfolgt worden (z. B. mit den Schreiben der Rechtsanwälte … vom 11.03.1991, vom 20.06.1991 und vom 19.09.1991) und habe zum Abschluss der notariellen Vereinbarung vom 25.03.1992 geführt. Aufgrund der drohenden Zahlungsinanspruchnahme der Klägerin aufgrund des Pflichtteilsanspruchs habe sie den Erbverzicht erklärt. Abgesehen davon hätte die Vereinbarung über eine Nichtgeltendmachung keiner notariellen bzw. schriftlichen Form bedurft. Dass im Vertrag nur von einem entstandenen Pflichtteilsanspruch die Rede...