Entscheidungsstichwort (Thema)
Zolltarifliche Einreihung von Vitamin-E-Kapseln
Leitsatz (redaktionell)
1. Vitamin-E-Kapseln, die je 202,5 mg D-a-Tocopherol, von der höchsten biologischen Vitamin-E-Wirksamkeit, enthalten, damit bei täglicher Einnahme die z.B. von der Deuschen Gesellschaft für Ernährung für den gesunden Erwachsenen empfohlene tägliche Zufuhrmenge von 12 mg Tocopherol erheblich übersteigen und insbesondere zur Prävention und Therapie von krankhaften Vitamin-E-Mangelzuständen verwendet werden, sind als "Arzneiwaren" im Sinne der Pos. 3004 KN und nicht als "Ergänzungslebensmittel" i.S. von Pos. 2106 oder als "Lebensmittelzubereitung" zu tarifieren.
2. Die Erläuterungen zum Harmonisierten System und zur KN stellen ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifposition dar.
Normenkette
KN Pos 3004; KN Pos 2106 UnterPos 9092; EGV 210/85; EGV 2723/90; KN Kap 30 Anmerkung 1 Buchst. a
Gründe
I.
Streitig ist die Einreihung von Vitamin-E-Kapseln in den Gemeinsamen Zolltarif.
Die Klägerin beantragte am 27. August 1997 bei der Oberfinanzdirektion – OFD – Köln die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft – vZTA – über eine als Vitamin-E-Kapseln bezeichnete Ware und begehrte die Einreihung in die Position – Pos. – 3004 des Harmonisierten Systems – HS –.
Nach den Angaben im Antrag handelt es sich um Einzelverkaufspackungen mit einem Inhalt von 30, 60, 90 oder 120 Kapseln. Eine Kapsel enthält 202,5 mg D-alpha-Tocopherol in 300 mg Destillat aus Pflanzenöl. Auf der Verpackung sowie der ihr beiliegende Gebrauchsinformation wird darauf hingewiesen, daß Vitamin E lebensnotwendig für die Erhaltung und Funktion aller Zellen, auch der des Nervensystems sei, die Zellen vor schädigenden freien Radikalen, die durch UV-Strahlen oder sonstige Umwelteinflüsse entstehen könnten, sowie die ungesättigten Fettsäuren vor Oxydation schütze und dadurch die Lebensdauer verlängere, einen positiven Einfluß auf den Stoffwechsel und die Durchblutung von Muskulatur und Bindegewebe ausübe, bei der Bildung von roten Blutkörperchen eine Rolle spiele und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit des Organismus und zur Erhaltung seiner Aktivität und Spannkraft beitrage; dazu sollen täglich 1-2 Kapseln mit etwas Flüssigkeit eingenommen werden. Besonders wird darauf hingewiesen, daß das Erzeugnis ein Arzneimittel sei, das nur in Apotheken erhältlich und für Kinder unzugänglich aufzubewahren sei.
Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt – ZPLA – Köln gab den Antrag zuständigkeitshalber an die ZPLA München weiter. Mit der vZTA Nr. DE M/A … vom 15. Januar 1998 wurde die Ware als „Lebensmittelzubereitung, anderweit weder genannt noch inbegriffen, weder Milchfett, Saccharose, Isoglucose, Stärke noch Glukose enthaltend” in die Unterpos. 2106 9092 909 der Kombinierten Nomenklatur – KN – eingereiht.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung (EE) vom 12. Mai 1998 Klage, mit der sie im wesentlichen folgendes geltend macht:
Bei der str. Ware handele es sich um eine Arzneiware der Pos. 3004 KN. Maßgebend für diese Einreihung sei die objektive oder subjektive Bestimmung des Erzeugnisses zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken. Es genüge der objektive Nachweis, daß ein Präparat prophylaktische oder therapeutische Wirkungen entfalte, oder die Aufmachung des Präparates, die keinen Zweifel an der arzneilichen Zweckbestimmung lasse. Die zolltarifliche Abgrenzung zwischen Arzneiwaren und Ergänzungslebensmitteln erfolge aufgrund der Bewertung der gesamten Eigenschaften eines Präparates. Trage ein Erzeugnis in der Summe seiner Eigenschaften die typischen Merkmale eines Arzneimittels, so sei es in Kap. 30 KN einzureihen. Nur wenn diese Eigenschaften insgesamt nicht gegeben seien, komme eine Einreihung in Kap. 21 KN in Betracht.
Die str. Ware falle nicht unter die EG-VO Nr. 210/85 in der Fassung der VO Nr. 2723/90, weil die hohe, weit über den täglichen Bedarf an Vitamin E hinausgehende Dosierung prophylaktische und therapeutische Wirkungen erzielen könne. Die medizinische Wirkung des Vitamin E läge in der phenolischen Antioxidans. Aus der Monographie des Bundesgesundheitsamts (BAnz-Nr. 17 vom 26. Januar 1994) sowie der Dokumentation des unabhängigen Forschungsinstituts VERIS ergäbe sich als wichtigstes Anwendungsgebiet von Vitamin E die Prävention und Therapie von krankhaften Vitamin-E-Mangelzuständen, z. B. nach Gastrektomie, Sprue, Enterokolitis, chronische Pankreatitis, zystischer Fibrose, Cholestase, Kurzdarmsyndrom, Lipoproteinämie sowie nach längerer parentaler Ernährung. Weitere medizinische Anwendungsgebiete seien die Prophylaxe von Myokardinfarkten und kardiovaskulär bedingten Todesfällen sowie der Sehkraftverschlechterung und Erblindung infolge des Grauen Stars und die therapeutische Behandlung des prämenstruellen Syndroms. Diese Indikationen seien durch die wissenschaftlichen Beiträge und Studien in der Deutschen Apothekerzeitung 1996 S. 43, New England Journ...