Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung einer Krankengymnasten-GbR
Leitsatz (redaktionell)
Die von einer GbR erbrachten krankengymnastischen Leistungen sind nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn sie von angestellten Krankengymnasten erbracht werden, die die berufliche Qualifikation für eine Anerkennung ihrer Tätigkeit als freiberuflich i. S. des § 18 Abs. 1 EStG besitzen. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschafterinnen der GbR keine derartige Qualifikation besitzen.
Normenkette
UStG 1999 § 4 Nr. 14; Richtlinie 388/77/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 7. März 2001 und der Einspruchsentscheidung wird der Beklagte verpflichtet, die Umsatzsteuer für 1998 und 1999 auf jeweils Null EUR festzusetzen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, betrieb in den Streitjahren (1998, 1999) eine physikalische Praxis. Die in der Praxis erbrachten krankengymnastischen Leistungen werden von angestellten Krankengymnasten erbracht, die die beruflichen Qualifikation für eine Anerkennung ihrer Tätigkeit als freiberuflich i. S. des § 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes besitzen. Die beiden Gesellschafterinnen der Klägerin besitzen keine derartige Qualifikation.
Die Klägerin erklärte für die Streitjahre keine steuerfreien Umsätze. Sie errechnete die von ihr erklärte Umsatzsteuer aus den Beträgen der von ihr ohne gesonderten Ausweis der Mehrwertsteuer erteilten Rechnungen. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) folgte den Erklärungen und rechnete über die von der Klägerin errechnete Umsatzsteuer ab (27 840,30 DM für 1998, 28 380,10 DM für 1999).
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 12. Februar 2001, die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre aufzuheben, da die erzielten Umsätze unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) fallen würden. Mit Schreiben vom 7. März 2001 lehnte das FA den Antrag ab. Den Einspruch der Klägerin wies es mit Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2001 als unbegründet zurück.
Mit ihrer hiergegen am 21. Juni 2001 per Telefax eingegangenen Klage trägt die Klägerin vor: Sie habe die von ihr erbrachten Umsätze bislang der Umsatzsteuer unterworfen, da die beiden Gesellschafterinnen nicht die erforderliche berufliche Qualifikation aufwiesen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in der Rechtssache V R 54/98 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) u. a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob auch psychotherapeutische Behandlungen in einer Ambulanz, die eine Stiftung mit angestellten Diplompsychologen ausführe, steuerbefreit seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das FA zu verpflichten, die Umsatzsteuer 1998 und 1999 auf Null EUR festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten, die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 sind „die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes oder aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker” steuerfrei.
Zwar hat der Steuerpflichtige, also die Klägerin als juristische Person des Privatrechts, selbst keine „Umsätze aus der Tätigkeit als Krankengymnast” oder aus einer „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit” erbracht. Sie hat aber Umsätze mit Hilfe angestellter Krankengymnasten ausgeführt, die die jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen erfüllen.
Dieser Umstand führt zur Steuerbefreiung.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mit Entscheidungen vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 „Ambulanter Pflegedienst Kügler” (HFR 2002, 1146, UVR 2003, 104, UR 2002, 513) und vom 6. November 2003 Rs. C-45/01 „Christoph-Dornier-Stiftung” (UR 2003, 594 m. Anm. Widmann, BB 2004, 312 m. Anm. Lohse) entschieden, dass die Steuerbefreiung nach Art. 13. Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt, unabhängig ist.
Danach sind heilberufliche Leistungen, die ein Steuerpflichtiger – der nicht selbst über die entsprechende Qualifikation verfügt – durch Angestellte e...