Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes für den Veranlagungszeitraum 2005
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für das Streitjahr 2005 geltenden Fassung ist formell und materiell verfassungsgemäß; es verstößt insbesondere weder wegen der Dauer der Erhebung des Zuschlages gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen die Berufsfreiheit der Steuerpflichtigen (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen den Schutz des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG.
2. Der Solidaritätszuschlag ist verfassungsrechtlich keine Sonderabgabe, sondern eine Steuer; der Gesetzgeber war berechtigt, den Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe i.S. v. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG einzuführen, und nicht verpflichtet, das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 von vornherein befristet einzuführen.
Normenkette
SolZG 1995 §§ 1, 3 Abs. 1, § 4; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6; AO § 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Kalenderjahr 2005 verfassungsgemäß ist.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 17.8.2007 den Solidaritätszuschlag für 2005 gegenüber der Klägerin auf 4.753,32 EUR fest. Der Bescheid erging hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) teilweise vorläufig. Der Einspruch der Klägerin gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 ging am 18.9.2007 beim Finanzamt ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 4.12.2007 verwarf das Finanzamt den Einspruch mangels Rechtschutzbedürfnis als unzulässig. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der am 21.12.2007 bei Gericht eingegangenen Klage. Mit Änderungsbescheid vom 27.6.2008 erklärte das Finanzamt nach Antrag der Klägerin die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für endgültig.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlagsgesetz (SolzG) würden gesetzeswidrig verwendet, da die Erhebung des Solidaritätszuschlags die im Grundgesetz (GG) angelegte Gesetzessystematik zur Verteilung des Steueraufkommens aushöhle. Der Gesetzgeber habe sich zudem an die Selbstbindung, den Solidaritätszuschlag mittelfristig zu überprüfen, nicht gehalten. Ferner höhle der Solidaritätszuschlag die Steuerhoheit der Länder aus, da er als weiterer Anteil der Einkommensteuer anzusehen sei. Darüber hinaus würde die allgemeine Handlungsfreiheit, die Berufsausübungsfreiheit und die Eigentumsgarantie verletzt. Insoweit liege eine überlange Erhebung des Solidaritätszuschlages vor. Für das weitere Vorbringen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.8.2008 Bezug genommen. Die Klägerin hat angeregt, das Verfahrens gem. Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und das Solidaritätszuschlagsgesetz zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Steueränderungsbescheide über Solidaritätszuschlag 2005 vom 27.6.2008, vom 17.8.2007 und die insoweit ergangene Einspruchsentscheidung vom 4.12.2007 sowie den Bescheid vom 30.4.2007 aufzuheben,hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Beide Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Das Gericht ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 gebunden. Das Verfahren ist nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, da der Senat das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der Fassung der Neubekanntmachung vom 15.10.2002 (BGBl. I, 4130) in der für das Streitjahr geltenden Fassung (SolzG) nicht für verfassungswidrig hält.
1. Der Senat hält das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung für formell verfassungsgemäß.
a) Dem Bund stand für den Erlass des Gesetzes die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu.
aa) Die Gesetzgebungskompetenz bestimmt sich vorliegend nach den Regelungen der Art. 105ff. GG. Die Regelungen sind anwendbar, da der Solidaritätszuschlag eine Steuer im verfassungsrechtlichen Sinne darstellt. Das Grundgesetz definiert den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff nicht, er ist jedoch der einfachgesetzlichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 AO sinngemäß zu entnehmen (BVerfG, Beschluss v. 2.10.1973, 1 BvR 345/73; BVerfG, Urteil v. 6.11.1984, 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83; BFH, Beschluss v. 28.6.2006, VII B 324/05; FG Münster, Urteil v. 27.9.2005, 12 K 6263/03 E). Gem. § 3 Abs. 1 AO sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen...