Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung ersparter Überführungskosten in die Berechnung des geldwerten Vorteils aus der vergünstigten Überlassung von Fahrzeugen an Arbeitnehmer eines Automobilherstellers. gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. In die Berechnung des geldwerten Vorteils der Arbeitnehmer aus der verbilligten Überlassung vom Arbeitgeber hergestellter Fahrzeuge sind auch ersparte Überführungskosten einzubeziehen.
2. Die Entscheidung des FA über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist zweigliedrig. Die Prüfung auf der ersten Stufe, ob in den Personen, die herangezogen werden sollen, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind, ist eine vom FG in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Die daran auf der zweiten Stufe anschließende Ermessensentscheidung, ob und wen das FA als Haftenden in Anspruch nehmen will, ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 S. 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2-3, § 42d Abs. 1; AO § 191 Abs. 1, § 5; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheides. Grundlage des Haftungsbescheides und zwischen den Beteiligten streitig ist die Rechtsfrage, ob im Streitfall bei der Berechnung des geldwerten Vorteils als Lohn aus der vergünstigten Abgabe von Fahrzeugen an Arbeitnehmer der Klägerin sogenannte Überführungskosten zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ermöglicht ihren aktiven und ehemaligen Mitarbeitern auf der Grundlage bestehender Betriebsvereinbarungen und unter bestimmten Voraussetzungen weiteren Personen (bei der Klägerin tätige Mitarbeiter von X, Mitarbeiter von Y, Groß- und Sonderkunden) den Erwerb von ihr produzierter Fahrzeuge zu vergünstigten Mitarbeiterkonditionen. Die Auslieferung von Fahrzeugen weicht in diesen Fällen vom Weg der Auslieferung gegenüber nicht unter die Vergünstigungsbedingungen fallenden – fremden – Endkunden ab. Fertig produzierte Fahrzeuge verbringt die Klägerin zunächst vom jeweiligen Produktionsstandort in eines der Versandzentren (in Deutschland z. B. D). Von dort erfolgt keine unmittelbare Auslieferung an fremde Endkunden. Diese haben die Wahl, das Fahrzeug bei A, einem ihrer Vertrags-Händler oder in B in Empfang zu nehmen. In allen Fällen werden dem fremden Endkunden vom Fahrzeugtyp abhängige Überführungskosten berechnet und optional weitere kostenpflichtige Leistungspakete (Zulassungsservice, Teilbetankung, Auslieferungsgeschenk, Fahrzeugeinweisung, weitergehende Dienstleistungen in B) angeboten. An Mitarbeiter der Klägerin und den weiteren, oben genannten, in die Mitarbeiterkonditionen einbezogenen Personenkreis erfolgt die Auslieferung abhängig von deren Beschäftigungsort bei
- ▸den in C beschäftigten Mitarbeitern am jeweiligen Werksstandort (Gruppe 1),
- ▸ den Mitarbeitern der Zentrale, des Werkes D, der in D ansässigen Tochtergesellschaften der Klägerin am Versandzentrum D (Gruppe 2),
- ▸ den Mitarbeitern der Standorte außer D wahlweise am Versandzentrum D (Gruppe 3a) bzw. am jeweiligen Standort der Klägerin (Gruppe 3b).
(Vergünstigte) Überführungskosten berechnet die Klägerin ihren Mitarbeitern nur im Falle der Auslieferung in einem Standort außerhalb D (Gruppe 3b); der sich hieraus ergebende geldwerte Vorteil ist zwischen den Beteiligten unstreitig. In den anderen Fällen der Auslieferung an Mitarbeiter berechnet die Klägerin keine Überführungskosten.
Soweit die Klägerin ihren Arbeitnehmern vergünstigte Überführungskosten berechnet (Gruppe 3b), erklärt sie die sich aus dieser Vergünstigung ergebenden geldwerten Vorteile in den jeweiligen Lohnsteueranmeldungen, behält entsprechende Lohnsteuer ein und führt sie ab. In Fällen, in denen die Klägerin ihren Mitarbeitern keine Überführungskosten berechnet (Gruppen 1, 2, 3a, also Auslieferung in den Werken außerhalb D und im Versandzentrum D) ermittelt sie die von den jeweiligen Lohnsteueranmeldungen umfassten geldwerten Vorteile aus dem Erwerb von Fahrzeugen zu Mitarbeiterkonditionen ohne Berücksichtigung von Überführungskosten.
Nach der beschriebenen Vorgehensweise reichte die Klägerin beim Finanzamt am … eine Lohnsteuer-Anmeldung für … über EUR (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchenlohnsteuer) ein. Daraufhin erlies das Finanzamt am … gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid über EUR (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchenlohnsteuer), den es damit begründete, dass sich für … aus den Arbeitnehmern der Gruppe 1 bis 3a nicht berechneten Überführungskosten geldwerte Vorteile ergeben hätten, die die Klägerin in der Lohnsteueranmeldung … unberücksichtigt lies und daher Lohnsteuer unzutreffend einbehalten und abgeführt habe. Den gegen den Haftungsbescheid eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Ein...