Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Begriffs „von Bedeutung” i. S. d. § 181 Abs. 5 AO im Zusammenhang mit einer gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d Abs. 4 EStG. Antrag auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nach § 10d EStG kein Antrag i. S. d. § 171 Abs. 3 AO. Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO nur bei innerhalb der Feststellungsfrist erlassenem Feststellungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 EStG ist gem. § 181 Abs. 5 S. 1 AO für eine Steuerfestsetzung „von Bedeutung”, wenn die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres, in dem der verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 EStG bis zum vollständigen Verbrauch abgezogen werden könnte, und die Feststellungsfrist des hierfür letzten Verlustfeststellungsbescheids (Grundlagenbescheids) noch nicht abgelaufen sind. Die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags ist nicht zeitlich unbegrenzt zulässig.
2. Ein Antrag auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nach § 10d Abs. 4 S. 1 EStG ist kein „Antrag” i. S. d. § 171 Abs. 3 AO. Als Antrag im Sinne dieser Vorschrift sind nur Willenserklärungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörde außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen.
3. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a S. 1 AO setzt bei (negativen) Feststellungsbescheiden voraus, dass der angefochtene Bescheid noch vor Ablauf der Feststellungsfrist ergangen ist.
Normenkette
EStG 1997 § 10d Abs. 3; EStG 1997 i.d.F.v. 24.3.1999 § 10d Abs. 4 S. 1; AO § 181 Abs. 5 S. 1, Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 171 Abs. 3, 3a
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob für die Streitjahre gesonderte Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags durchzuführen sind.
Dem Kläger entstanden in den Streitjahren im Rahmen seiner Ausbildung zum Piloten Aufwendungen in Höhe von 107.011 DM (1997), 44.217 DM (1998) und 16.668 DM (1999). Die genannten Aufwendungen erklärte er erstmals mit den am 8. Mai 2006 beim damals zuständigen Finanzamt eingereichten Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs jeweils zum 31. Dezember der Jahre 1997, 1998 und 1999 (Verlustfeststellungen).
Zu diesem Zeitpunkt war die Einkommensteuer 1999 unter Zugrundelegung eines Bruttoarbeitslohns von 12.776 DM und einem sich hieraus ergebenden Gesamtbetrag der Einkünfte von 10.776 DM bereits auf 0 DM bestandskräftig festgesetzt worden (Bescheid vom 14. September 2000). Auch die Einkommensteuern 2000 bis 2002 waren unter Zugrundelegung eines Gesamtbetrags der Einkünfte von 62.826 DM (2000), 63.880 DM (2001) und 51.994 DM (2002) bereits bestandskräftig festgesetzt worden (Bescheide vom 7. Dezember 2001, 25. November 2002 und 7. November 2003).
Im Einverständnis mit dem steuerlichen Berater des Klägers wurde die Bearbeitung der Feststellungserklärungen 1997 bis 1999 wegen anhängiger Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) zunächst zurückgestellt. Mit Schreiben vom 26. April 2007 beantragte der Kläger „Aufhebung der Ruhendstellung nach § 363 AO”.
Der nunmehr zuständige Beklagte (Finanzamt – FA –) lehnte den Erlass der Verlustfeststellungen 1997 bis 1999 mit Verfügung vom 14. Januar 2008 wegen Ablaufs der Feststellungsfristen für die Jahre 1997 und 1998 und wegen bestandskräftiger Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1999 ab.
Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 11. August 2008 als unbegründet zurück. Für die Jahre 1997 und 1998 seien sowohl die Feststellungsfrist, die ohne die Wirkung des § 181 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) zu berechnen sei, als auch die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung abgelaufen. Der Fristablauf läge vor Inkrafttreten des § 10d Abs. 4 S. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007, der damit nicht anwendbar sei. Überdies sei die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1999 gemäß § 10d Abs. 4 S. 4 und 5 EStG nicht möglich, da der Einkommensteuerbescheid 1999 nicht mehr änderbar sei.
Klage begründend führt der Kläger die – teilweise geänderte – Rechtsprechung des BFH an. Hiernach sei vor Inkrafttreten des JStG 2007 der Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nach § 181 Abs. 5 AO solange möglich gewesen, solange dieser für eine künftige Einkommensteuerfestsetzung oder eine andere gesonderte Verlustfeststellung von Bedeutung sei. Im Streitfall seien die beantragten Verlustfeststellungen von Bedeutung für weitere Verlustfeststellungen. Darüber hinaus könne nach der BFH-Rechtsprechung ein erstmaliger Verlustfeststellungsbescheid unabhängig von der Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids des Verlustentstehungsjahrs erlassen werden. Im Falle eines erstmaligen Erlasses eines Verlustfeststellungsbescheids sei gerade nicht § 10d Abs. 4 S. 4 EStG anzuw...