Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Fehlen tatsächlich gezahlter Mieten ist der vom FA erstellte Mietspiegel für die Einheitsbewertung zum 1.1.1964 maßgebend. Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung wegen Schätzung einer „falschen” Jahresrohmiete
Leitsatz (redaktionell)
1. Fehlen bei der Einheitsbewertung bezogen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 tatsächlich für das Objekt gezahlte Mieten, ist entsprechend § 79 Abs. 2 S. 1 BewG die übliche Miete als Jahresrohmiete anzusetzen, wobei vorrangig die sich aus den von den FA für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegeln ergebende übliche Marktmiete für nicht grundsteuerbegünstigten (freifinanzierten) Wohnraum am 1.1.1964 heranzuziehen ist (Anschluss an BFH-Rspr.).
2. Differenziert der im Streifall maßgebliche Mietspiegel u. a. nach Art, Baujahr und Ausstattung sowie nach den einzelnen im Zuständigkeitsbereich des FA liegenden Orts- bzw. Stadtteilen und wurde bei der Bewertung des streitigen Objekts wegen der Belegenheit in einem ungünstigeren Stadtteil bereits ein Abschlag von knapp 40 % vom für bessere Lagen vorgesehenen Mietspiegelwert vorgenommen, so kann der nicht näher substantiierte Einwand, die vom FA bei der Einheitsbewertung angesetzte Miete sei in dem betreffenden Stadtteil zum 1.1.1964 keinesfalls zu erzielen gewesen und deutlich überhöht, keine Wertfortschreibung begründen; für das FG besteht insoweit keine Veranlassung, über den von der FinVerw. vorgelegten Mietspiegel hinaus von sich aus auf weitere einzelne Vergleichsobjekte zurückzugreifen.
3. Eine anderweitige Schätzung der ortsüblichen Jahresrohmiete kann grundsätzlich nur dann die Vornahme einer Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung begründen, wenn die ursprüngliche Schätzung der Jahresrohmiete außerhalb jeder vernünftigen Überlegung gelegen hat.
Normenkette
BewG § 22 Abs. 1, 3 S. 1, Abs. 4, § 76 Abs. 1 Nr. 5, §§ 78, 79 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, Abs. 5, § 27
Nachgehend
Tenor
1. Der Einheitswertbescheid Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2011 vom 15. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. September 2011 wird aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 71,6 %, der Beklagte 28,4 %.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Einheitswertbescheides.
Die Klägerin ist seit 1985 Eigentümerin des ursprünglich mit einem im Jahr 1966 bezugsfertig gewordenen 115 qm großen Einfamilienhaus samt Garage bebauten Grundstücks AStadt, Ortsteil X. Im Jahr 1996 wurde das Gebäude durch Errichtung eines Anbaus mit einer Wohnfläche von 91 qm zu einem Zweifamilienhaus umgebaut. Die Ausstattung des gesamten Gebäudes ist als „gut” einzustufen.
Nach Fertigstellung des Anbaus stellte das beklagte Finanzamt (FA) mit Einheitswertbescheid Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1997 vom 15. März 1996 den Einheitswert für das Grundstück im Ertragswertverfahren auf 82.500 DM fest. Dabei setzte es, wie von der Klägerin im Schreiben vom 19. Februar 1996, wegen des Umbaus von einem Einfamilienhaus in ein Zweifamilienhaus und der daraus nach Ansicht der Klägerin folgenden Wertminderung des Objekts gefordert, eine übliche Miete von nurmehr 3,20 DM pro qm an. Bisher hatte das FA der Berechnung des Einheitswertes eine übliche Miete von 3,50 DM pro qm zugrunde gelegt (Mietspiegelwert auf den 1. Januar 1964 für Ein- und Zweifamilienhäuser für A-Stadt von 5,20 DM abzügl. 1,30 DM Abschlag wegen Ortsrandlage abzügl. 0,45 DM Abschlag auf Antrag der damaligen Grundstückseigentümer wegen ungünstigen Grundstückszuschnitts). Als Grundstücksart wurde Zweifamilienhaus festgestellt.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Korrektur des Einheitswertbescheides auf den 1. Januar 1997 „rückwirkend soweit möglich”. Sie habe durch Zufall erfahren, dass zum 1. Januar 1964 im Umfeld des klägerischen Objekts keine Mieten von 3,20 DM erzielbar gewesen wären und beantragte den Ansatz einer üblichen Miete, wie er im Jahr 1964 im Ortsteil X für Zweifamilienhäuser üblich gewesen sei. Das FA habe einen Nachweis über die für damalige Verhältnisse übliche Miete zu erbringen. Der im Einheitswertbescheid angesetzte Betrag von 3,20 DM pro qm sei um 30 % bis 50 % zu hoch.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2011 wies das FA die Klägerin darauf hin, dass die anzusetzende übliche Miete anhand von Mietspiegelmieten für Ein- und Zweifamilienhäuser (Wertverhältnisse 1. Januar 1964) in A-Stadt 5,20 DM pro qm betragen habe und dieser Wert grundsätzlich auch für den Ortsteil X gelte. Die der Berechnung des Einheitswertes ...