Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbräuchlichkeit einer rechtlichen Gestaltung im Zusammenhang mit Bondstripping.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 Abs. 2 AO wird nicht durch die spezialgesetzliche Missbrauchsregelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verdrängt, wenn sich der Gebrauch dieser spezialgesetzlichen Umgehungsvorschrift als Missbrauch der Missbrauchsvorschrift charakterisieren lässt.
2. Die Zwischenschaltung einer vom Steuerpflichtigen beherrschten Kapitalgesellschaft in die Veräußerung von Anleihemänteln zum Zweck der Verlagerung der aus der Veräußerung erzielten Verluste in den Anwendungsbereich der dem allgemeinen Steuertarif unterliegenden Einkünfte kann einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO darstellen.
Normenkette
AO § 42 Abs. 1 S. 2; EStG § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 7
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2014 beim Finanzamt [… N-Stadt] zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit, aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen, die Klägerin aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen.
Am [XX.] September 2014 gründete der Kläger die […] X-GmbH. Diese wurde [6 Tage später] am [YY.] September 2014 ins Handelsregister des Amtsgerichts […] N-Stadt […] eingetragen. Gesellschaftszweck ist die Verwaltung eigenen Vermögens. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ist der Kläger. Die X-GmbH finanziert ihren gesamten Geschäftsbetrieb durch Darlehen des Klägers. Auch die unten aufgeführten streitgegenständlichen Anlagen wurden durch Darlehen finanziert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zur X-GmbH wird auf die Jahresabschlüsse [… 2016, 2017, 2018] verwiesen.
Am YY. September 2014 erwarb der Kläger die Bundesanleihe mit der ISIN […] mit einer Laufzeit bis zum […] 2040 (Geschäft 1) zu einem Kaufpreis von 4.098.945,84 EUR. Die Bundesanleihen wurden auf Anweisung des Klägers von der […] (Bank) sofort in den Bundesanleihemantel (Stammrecht) und Zinsscheine getrennt. Am [… 4 Tage später] September 2014 veräußerte der Kläger die Zinsscheine für 2.536.201,65 EUR. Am [… 10 Tage später] Oktober 2014 veräußerte er das Stammrecht für 1.580.100 EUR an die X-GmbH, die dieses [… am nächsten Tag] für 1.569.146,10 EUR veräußerte.
Am [YY. September + 20 Tage] Oktober 2014 erwarb der Kläger die Bundesanleihe mit der ISIN […] mit einer Laufzeit bis zum […] 2039 (Geschäft 2) zu einem Kaufpreis von 4.098.826,66 EUR. Die Bundesanleihen wurden auf Anweisung des Klägers von der Bank sofort in den Bundesanleihemantel (Stammrecht) und Zinsscheine getrennt. Am [… 6 Tage später] Oktober 2014 veräußerte der Kläger die Zinsscheine für 2.366.270,14 EUR. Am [… 25 Tage später] November 2014 veräußerte er das Stammrecht für 1.731.560 EUR an die X-GmbH, die es am [… nächsten Tag] November 2014 für 1.722.214,27 EUR weiterveräußerte.
Am [YY. September + 60 Tage] November 2014 erwarb der Kläger die Bundesanleihe mit der ISIN […] mit einer Laufzeit bis zum […] 2040 (Geschäft 3) zu einem Kaufpreis von 4.519.993,24 EUR. Die Bundesanleihen wurden auf Anweisung des Klägers sofort in den Bundesanleihemantel (Stammrecht) und Zinsscheine getrennt. Am [… 5 Tage später] November 2014 veräußerte der Kläger die Zinsscheine für 2.741.902 EUR. Am [… 14 Tage später] Dezember 2014 veräußerte er das Stammrecht für 1.780.605 EUR an die X-GmbH, die es am [… nächsten Tag] Dezember 2014 für 1.801.617,05 EUR weiterveräußerte.
In der Einkommensteuererklärung der Kläger für 2014 erklärte der Kläger einen Verlust aus der Veräußerung der Stammrechte i.H.v. – 7.515.671 EUR, den er den dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen zuordnete (Zeile 22 Anlage KAP). Der Verlust ergab sich, weil der Kläger die aufgewendeten Anschaffungskosten abzüglich der Stückzinsen nur den Stammrechten und nicht den Zinsscheinen zurechnete. Aus dem Geschäft 1 errechnete der Kläger folgenden Verlust (vgl. Berechnung Bl. 14 […]):
Kaufpreis |
4.098.945,84 EUR |
./. darin enthaltene Stückzinsen |
27.510,44 EUR |
= Anschaffungskosten |
4.071.435,40 EUR |
Veräußerungspreis |
1.580.100,00 EUR |
./. Anschaffungskosten |
4.071.435,40 EUR |
Veräußerungsergebnis |
-2.491.335,40 EUR |
Aus dem Geschäft 2 errechnete der Kläger folgenden Verlust (vgl. Berechnung Bl. 14 […]):
Kaufpreis |
4.098.826,66 EUR |
./. darin enthaltene Stückzinsen |
31.776,26 EUR |
= Anschaffungskosten |
4.067.050,40 EUR |
Veräußerungspreis |
1.731.560,00 EUR |
./. Anschaffungskosten |
4.067.050,40 EUR |
Veräußerungsergebnis |
-2.335.490,40 EUR |
Aus dem Geschäft 3 errechnete der Kläger folgenden Verlust (vgl. Berechnung Bl. 15 […]):
Kaufpreis |
4.519.993,24 EUR |
./. darin enthaltene Stückzinsen |
50.543,64 EUR |
= Anschaffungskosten |
4.469.... |