Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzweigung des Kindergeldes an Sozialhilfeträger bei Heimunterbringung des schwerbehinderten Kindes und Erbringung von Unterhaltsleistungen durch die Eltern. Rechtmäßigkeit der Abzweigung des Kindesgeldes an den Sozialhilfeträger für die Kosten der Heimunterbringung des Kindes, wenn Eltern daneben Unterhaltsleistungen erbringen. Überleitungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
1. Trägt der Sozialhilfeträger die Kosten der Heimunterbringung des schwerbehinderten, vollstationär untergebrachten Kindes und nimmt er die Eltern ohne Berücksichtigung von deren finanzieller Leistungsfähigkeit nicht in Regress, so ist die auf § 74 Abs. 1 S. 1 und 4 EStG beruhende Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialhilfeträger auch dann rechtmäßig und nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Eltern daneben zwar Unterhaltsleistungen erbringen (Aufwendungen für Besuche, Fahrten, Vorhalten eines Raumes in der Wohnung), die Aufwendungen im Verhältnis zu den Heimunterbringungskosten aber nur geringfügig sind.
2. § 74 Abs. 1 S. 3 EStG ist eine Sonderregelung, die nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Kindergeldberechtigte nach § 1603 Abs. 1 BGB wegen fehlender Leistungsfähigkeit zivilrechtlich nicht zum vollen Unterhalt verpflichtet ist und er nur aus diesem Grund keinen vollen Unterhalt leistet (zur Konkurrenz und den Tatbestandsvoraussetzungen von § 74 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 4 EStG).
Normenkette
EStG 2000 § 74 Abs. 1 Sätze 1, 3-4; BSHG § 91 Abs. 2 S. 2 Alt. 2; FGO § 102; BGB § 1610 Abs. 2; AO § 5; BGB § 1603 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte das Kindergeld an die Beigeladene abzweigen durfte.
Der am 11. März 1956 geborene Sohn des Klägers, S. ist schwerbehindert und lebt vollstationär in einer Behinderteneinrichtung in St. Die Kosten der Heimunterbringung werden von der Beigeladenen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 39 Abs. 1, 40 Abs. 1 Nr. 7 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) getragen. Die Beigeladene hat im Jahr 2001 monatlich 3.495,75 EUR aufgewendet (Heimunterbringung 3.373,20 EUR, Barbetrag 122,55 EUR). Zur Deckung der Kosten hat sie die Erwerbsunfähigkeitsrente von S. in Höhe von 682,74 EUR, den Kostenbeitrag nach § 43 Abs. 1 BSHG in Höhe von 22,31 EUR und das Kindergeld in Höhe von 138 EUR erhalten. Nach Auskunft der Beigeladenen zahlte sie die Eingliederungshilfe bereits seit Januar 1977 in ähnlicher Höhe.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2000 setzte die beklagte Familienkasse Kindergeld für S. ab Januar 1997 fest und entschied gleichzeitig, das Kindergeld in voller Höhe an die Beigeladene auszuzahlen, die die Auszahlung nach § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) beantragt habe. Der gegen die Abzweigung des Kindergeldes eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 3. November 2000). Der Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung aus, die Voraussetzungen für die Abzweigung des Kindergeldes an die Beigeladene lägen vor, denn diese habe die Kosten für die Heimunterbringung getragen und die Eltern seien nicht zur Kostenerstattung herangezogen worden. Die Abzweigung sei damit auch ermessensgerecht.
Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG lägen nicht vor, denn diese setzte eine Verletzung der Unterhaltspflicht des Klägers im Sinne von § 74 Abs. 1 S. 1 EStG voraus. Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn ruhe jedoch, denn nach § 91 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 BSHG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung sei ein Übergang des Unterhaltsanspruches gegenüber den Eltern wegen unbilliger Härte ausgeschlossen, so dass er nicht zu den Kosten der Eingliederungshilfe herangezogen werde. Auch lägen die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht vor, denn er erbringe für S. ebenso wie für seine gleichfalls behinderte Tochter M.- weitere erhebliche Aufwendungen, die dieser zur Lebensführung benötige und die nicht durch die vom Beigeladenen erbrachten Leistungen abgedeckt seien. So habe er für S. Einrichtungsgegenstände für sein Zimmer im Heim gekauft. Er stelle S. ferner in seinem Elternhaus in G. ein eigenes Zimmer zur Verfügung. S. komme in der Regel dreimal jährlich nach Hause, um den Kontakt mit den Eltern aufrecht zu erhalten. Die Fahrten würden vom Kläger im eigenen Pkw durchgeführt. Außerdem mache der Kläger mit S. jährlich einen einwöchigen Radurlaub. Dies werde allein vom Kläger finanziert. Ferner fielen Kosten für den zweimaligen Besuch von Elterntagungen an. Die jährlichen Kosten allein hierfür lägen bei deutlich über 1000 DM. Zwar könnten die Kosten nicht exakt belegt werden, da ihre steuerliche Relevanz nicht bekannt gewesen sei. Es müsse jedoch deutfich sein, dass die Aufwendungen erheblich höher seien als die vom Kläger begehrten Kindergeldbeträge. Bei Unterhaltsleistungen in dieser Höhe se...