rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerbefreiung der heilpädagogischen Leistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit eine staatlich anerkannte Heilpädagogin aufgrund fachärztlicher Gutachten Legastheniker behandelt, fallen ihre Leistungen unter den Begriff der „Heilbehandlung” i.S. der 6. EG-Richtlinie und sind daher nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit.
2. Soweit die Tätigkeit der Heilpädagogin nicht nur auf die Diagnose und Behandlung von Gesundheitsstörungen gerichtet ist und sie für Sozial- und Jugendämter heilpädagogische Leistungen an behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder erbringt, zu deren Erbringung die Behörden gesetzlich, insbesondere gemäß §§ 39, 40 Bundessozialhilfegesetz und § 35 a SGB VIII, verpflichtet sind, kann sich die Heilpädagogin für die Steuerbefreiung ihrer Leistungen auch unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie berufen.
Dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-Richtlinie nur teilweise, nämlich durch § 4 Nr. 15, 16 und 18 UStG, nicht aber hinsichtlich der Leistungen der Klägerin, in nationales deutsches Recht umgesetzt worden ist, steht dem nicht entgegen.
Normenkette
UStG 1993/1996 § 4 Nr. 14 S. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h, g, c; SGB VIII § 35a; BSHG §§ 39-40
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1998 vom 1. Dezember 2000 und der Einspruchsentscheidung wird die Umsatzsteuer 1993 bis 1998 jeweils auf 0 EUR festgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin betreibt eine heilpädagogische Praxis. Für die Streitjahre 1993 bis 1998 gab die Klägerin zunächst keine Umsatzsteuererklärungen ab, da sie der Auffassung war, dass ihre Tätigkeit als Heilpädagogin nicht der Umsatzsteuer unterliege, weil sie nahezu ausschließlichaufgrund ärztlicher Verordnungen tätig geworden sei.
Auf Aufforderung des beklagten Finanzamts (Finanzamt) reichte die Klägerin am 1. Dezember 2000 für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen nach und berechnete die jeweilige Steuerschuld mit 4.878 DM für 1993, 3.203 DM für 1994, 7.113,60 DM für 1995,6.682,20 DM für 1996, 5.170,50 DM für 1997 und 9.269,10 DM für 1998.
Die Einsprüche dagegen wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 16. April2002 als unbegründet zurück.
Dagegen ist die Klage gerichtet, die die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet: Aufgrund der vom Finanzamt angenommenen Umsatzsteuerpflicht für heilpädagogische Leistungen im privaten Sektor bestehe für die Klägerin ein Wettbewerbsnachteil, da diese Leistungserbringer gegenüber den gemeinnützigen Einrichtungen von vornherein einen Kostennachteil zumindest in Höhe der Umsatzsteuer hätten.
In den Streitjahren 1993 bis 1998 habe sie folgende heilpädagogische Leistungen erbracht:Für Legastheniker eine individuell angepasste Therapie nach fachärztlichem Gutachten; für Vorschulkinder Übungsbehandlungen zur Behebung von Sprach- und Sprechstörungen,Training der Sinnesorgane und der Aufmerksamkeit, Verbesserung des Sozialverhaltens,Training der Grob- und der Feinmotorik sowie ganzheitliche Entwicklungsförderung bis zur Schulreife. Voraussetzung für die Behandlung und die Bezahlung durch die Behörden seijeweils ein fachärztliches Gutachten gewesen. Dabei sei die Therapie für Legastheniker vom Jugendamt und die Frühförderarbeit vom Sozialamt, Abteilung Wiedereingliederungshilfe,bezahlt worden. Einzelne Übungsbehandlungen seien von Krankenkassen bezahlt worden.
Auf entsprechende Anfrage des Gerichts führt die Klägerin noch aus, dass ihre Tätigkeitauch steuerfrei gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g und h der Richtlinie 77/388/EWGsei.
Im Übrigen wird auf die Anlagen und insbesondere die Ausbildungsnachweise der Klägerin zum Schriftsatz vom 8. November 2004 hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 1993 bis 1998 vom 1. Dezember 2000 und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer 1993 bis 1998 auf 0 EUR festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Klageerwidernd trägt es noch vor, dass es sich bei den von der Klägerin beschriebenen Therapien für Legastheniker nicht um arztähnliche und heilkundliche Leistungen handle. Auch die sonstigen Leistungen zur Frühförderung, die der Behebung und dem Ausgleich von Entwicklungsdefiziten der geförderten Kinder dienten, seien keine arztähnlichen Leistungen. Die Klägerin erbringe vielmehr sozialpädagogische Leistungen. Ihre Tätigkeit sei nicht mit der eines Heilpraktikers oder eines Krankengymnasten vergleichbar. Eine besondere Erlaubnis zur Ausübung ihres Berufs sei für die Klägerin nicht erforderlich gewesen. Jedoch sei der Klägerin die Zulassung gemäß § 124 SGB V nicht erteilt worden. Die Klägerin habe pädagogische Leistungen zur F...