Entscheidungsstichwort (Thema)
VersSt-Befreiung für Auslandsreise-Krankenversicherung innerhalb eines Reiseversicherungspakets
Leitsatz (redaktionell)
1. Enthält ein Reiseversicherungspaket auch eine Auslandsreise-Krankenversicherung, erfordert die Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 5 S. 1 VersStG, dass die Spezifika einer Krankenversicherung zweifelsfrei identifizierbar und gegenüber den weiteren im „Versicherungspaket” enthaltenen Versicherungszweigen klar separierbar sind. Davon ist bei vereinbarten und gesondert dargestellten Teilversicherungsbedingungen für die Auslandsreise-Krankenversicherung auszugehen (entgegen FG Hamburg v. 27.8.2009, 2 K 12/09, EFG 2010, 184; Revision bei BFH: II R 52/09).
2. Dem steht weder der einheitliche Vertragsschluss, die fehlende Teilkündbarkeit der einzelnen Versicherungsgegenstände sowie die Dokumentation des „Versicherungspakets” in einer einzigen Versicherungspolice noch die Einheitlichkeit der für das „Versicherungspaket” bezahlten Versicherungsprämie entgegen.
3. Der offene Ausweis des Versicherungsentgelts oder des Steuerbetrags ist keine tatbestandliche Voraussetzung für die Steuerbarkeit, die Steuerpflicht oder die Steuerbefreiung der Zahlung eines Versicherungsentgelts. Nur eine willkürliche, nachträgliche Aufteilung des Versicherungsentgelts allein zu steuerrechtlichen Zwecken ist als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig anzusehen ist. Das ist nicht der Fall, wenn den „Paketpreisen” unter Berücksichtigung der im Einzelnen versicherten Gefahren eine betriebswirtschaftlich und versicherungsmathematisch abgesicherte Kalkulation der jeweils angemessenen Teilentgelte zugrunde liegt.
Normenkette
VersStG § 4 Nr. 5 S. 1; AO § 42
Nachgehend
Tenor
1. Der Versicherungsteuerbescheid für den Zeitraum September 2006 vom 6.11.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.08.2007 wird dahingehend geändert, dass die Versicherungsteuer für den Anmeldungszeitraum September 2006 sowie die Nachforderung an Versicherungsteuer für die Besteuerungszeiträume Januar 2000 bis einschließlich Dezember 2004 in der Summe auf 948.473,98 EUR herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin aufgrund des Abschlusses von so genannten „Reiseversicherungspaketen” vereinnahmten Versicherungsentgelte insoweit von der Versicherungsteuer befreit sind, als hierin auch anteilig Entgelte für eine Auslandsreise-Krankenversicherung enthalten sind.
Die Klägerin ist … Versicherungsunternehmen, das … vor allem den Betrieb von Reiseversicherungen zum Unternehmensgegenstand hat. In den für die Klage maßgeblichen versicherungsteuerrechtlichen Anmeldungszeiträumen von Januar 2000 bis einschließlich Dezember 2004 bot die Klägerin, die seinerzeit als Y Reiseversicherungsgesellschaft Aktiengesellschaft … firmierte, neben reisespezifischen Einzelversicherungen auch eine Palette so genannter „Reiseversicherungspakete” an. Die Versicherungen wurden bundesweit durch als Versicherungsagenturen auftretende Reisebüros an die Versicherungsnehmer vermittelt, in der Regel im unmittelbaren Zusammenhang mit der Buchung von Reiseleistungen in den Reisebüros abgeschlossen und die danach fälligen Versicherungsentgelte von den Versicherungsnehmern an die insoweit inkassoberechtigten Reisebüros entrichtet. Die für die Versicherungsnehmer zur Auswahl stehenden und ihrem Inhalt nach vorab definierten „Versicherungspakete” wurden unter Vertriebsbezeichnungen wie beispielsweise … etc. angeboten. Das jeweilige „Versicherungspaket” setzte sich dabei aus einer bestimmten, vorgegebenen und durch den Versicherungsnehmer auch nicht individuell modifizierbaren Anzahl einzelner Versicherungsgegenstände zusammen. So umfassten etwa die beiden erstgenannten „Versicherungspakete” mit den Bezeichnungen E und F jeweils eine Reise-Rücktrittskosten-Versicherung, eine Reiseabbruch-Versicherung, einen Umbuchungsgebühren-Schutz, eine Auslandsreise-Krankenversicherung, eine Reise-Notruf-Versicherung, eine Reiseservice-Helpline sowie eine Reisegepäck-Versicherung. Die Höhe der von den Versicherungsnehmern zu zahlenden Versicherungsentgelte richtete sich zum einen nach Art und Umfang des jeweiligen „Versicherungspakets” und war zum anderen innerhalb des im Einzelfall vom Versicherungsnehmer ausgewählten „Versicherungspakets” nach der Höhe des Preises der gebuchten Reiseleistung gestaffelt. Die „Versicherungspakete” konnten von den Versicherungsnehmern nur einheitlich und im Ganzen abgeschlossen und auch nicht hinsichtlich einzelner Bestandteile gesondert gekündigt werde...