Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Ein behindertes Kind ist nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über ausreichend eigenes einsetzbares Vermögen verfügt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 i.V.m, § 63 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Anspruch auf Kindergeld für ein über 27 Jahre altes, seelisch behindertes Kind deshalb zu versagen ist, weil das Kind über eigenes Vermögen verfügt.
Die Klägerin (Klin) erhielt für ihren Sohn.. C.…, Kindergeld. C. leidet seit längerer Zeit (Bestätigung des Neurologen Dr. … vom 17. Juli 1987) an einer endogenen Psychose mit psychopathologischen Auffälligkeiten. In seinem Schwerbehindertenausweis ist der Grad der Behinderung mit 60 angegeben; weitere Merkzeichen sind nicht eingetragen. Ab 31. Juli 1987 befand sich C. als Lernbehinderter in einem Berufsausbildungswerk zur Ausbildung als Metallfachwerker. Der Ausbildungsvertrag wurde aus gesundheitlichen Gründen zum 15. Mai 1990 aufgelöst. Eine andere Beschäftigung hat C., der nach Aktenlage bei seiner Mutter lebt, seither nicht aufgenommen. Anläßlich der Überprüfung der Kindergeld Voraussetzungen erklärte die Klin (Erklärung vom 21. September 1997), daß ihr Sohn C. Vermögen im Wert von wenigstens 30.000,– DM besitzt. Der Beklagte – setzte daraufhin mit Bescheid vom 24. September 1997 das Kindergeld für C. mit Wirkung ab 01. Januar 1997 auf 0,– DM fest und forderte für die Zeit vom 01. Januar 1997 bis 31. Oktober 1997 2.200,– DM zurück. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 10. November 1997).
Zur Begründung der Klage wird im wesentlichen geltend gemacht: C. befinde sich seit 08. Januar 1998 aufgrund seines verschlechterten Gesundheitszustands in stationärer Behandlung im Klinikum Ingolstadt. Der Grad der Behinderung sei daher (im Februar 1998) mit mehr als 60 einzustufen (Beweis: Sachverständigengutachten). Als Folge seiner Erkrankung sei C. zeitlebens außerstande, einer geregelten Arbeit nachzugehen und seinen Lebensunterhalt mit eigenen Mitteln zu bestreiten. Sein Vermögen bestehe aus einer Rentenversicherung mit abgekürzter Beitragszahlung (Versicherungsschein vom 15. Juli 1993), einem Sparkonto (Guthaben am 30.06.1997: 2.948,42 DM; am 30.01.1998: 1.615,39 DM) und einem Wertpapierdepot (Kurswert 31.12.1996: 113.997,– DM); daraus habe er 1996 Einnahmen aus Kapitalvermögen iHv 5.266,50 DM erzielt.
Das gesamte Vermögen von C. beruhe auf einer Schenkung der Klin. Sie habe so dafür Sorge tragen wollen, daß ihr Sohn, für den sie zu Lebzeiten den Unterhalt sicherstelle, nach ihrem Ableben über ausreichend eigenes Einkommen verfüge, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Verwertung eines derartigen Vermögens, das auf Leistungen naher Angehöriger zurückzuführen sei, sei nach der Rechtsprechung (BSG in NJW 1994, 278 ff) nicht zumutbar. Die Verwertung von Vermögen sei außerdem in Anlehnung an § 6 Abs. 1 S. 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV vom 07.08.1974) unzumutbar, wenn sie unwirtschaftlich sei. Dies treffe auf die Lebensversicherung, wie sich aus der Entwicklung der Rückkaufswerte ergebe, ebenso zu wie auf die Pfandbriefe und Inhaberschuldverschreibungen, die noch nicht fällig seien und bei denen ein vorzeitiger Rückkauf mit erheblichen Vermögenseinbußen verbunden wäre (Beweis: Sachverständigengutachten). Darüber hinaus sei die Verwertung des gesamten Vermögens unzumutbar, weil es zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt sei (§ 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AlhiV). Würde die Gewährung von Kindergeld davon abhängig gemacht, daß der Vermögensstamm vorab verwertet werden müsse, bestünde für den Sohn der Klin keinerlei Alterssicherung.
Die Klägerin beantragt, die Verfügung des Beklagten vom 24. September 1997 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 10. November 1997 mit der Maßgabe aufzuheben, daß der Klägerin für ihren Sohn C. ab 01. Januar 1997 (weiterhin) Kindergeld in gesetzlicher Höhe gewährt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er verweist darauf, daß die Verwertung des Vermögens von C. ohne nennenswerte Verluste jederzeit möglich sei und der Wert des Vermögens erheblich über dem Grenzbetrag von 30.000,– DM liege.
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Kindergeld wird für ein Kind, das das 27. Lebensjahr vollendet hat, gewährt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG). Im Streitfall war das Kind C. in der Zeit ab 01. Januar 1997 nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten.
1. Das Tatbestandmerkmal „außerstande ist, sich selbst zu unterhalten”, das im Gesetz nicht näher umschrieben wird, ist nach der Rechtsprechung dann erfüllt, wenn die finanziellen Mittel des Kindes nicht ausreichen, um den gesamten notwendigen Lebensbedarf z...