Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufzeichnungspflichten bei Gewinnermittlung durch Überschussrechnung. Bargeschäfte. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ermittelt der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG als Überschuss der Einnahmen über die Betriebsausgaben, so genügt er seiner Aufzeichnungspflicht, wenn er sämtliche Ausgangsrechnungen chronologisch nach dem Tag des Geldeingangs ablegt, in handschriftlichen Listen einträgt und auf den bar bezahlten Rechnungen den Tag des Geldeingangs notiert. Bei im Streitfall nur rund 30 bar bezahlten Rechnungen jährlich war es nicht erforderlich, in den angefertigten Listen eine Unterscheidung hinsichtlich des Geldeingangs auf der Bank oder durch Barzahlung zu treffen, oder gar ein Kassenbuch zu führen.
2. Das Finanzamt ist nicht berechtigt, eine im Sinne von LS 1 ordnungsmäßige Buchführung zu verwerfen und die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige die gelegentlichen Bareinzahlungen auf das Geschäftskonto plausibel erklären und problemlos aus seinen übrigen Einkünften sowie aus glaubhaft gemachten Unterstützungsleistungen Verwandter aufbringen konnte.
3. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, dass alle auf ein privates Konto vorgenommenen Zahlungen, für die kein Buch- oder Nämlichkeitsnachweis erbracht wird, als aus einkommensteuerpflichtigen Einkünften stammend gelten.
Normenkette
EStG 1990 § 4 Abs. 3; AO 1977 § 146 Abs. 1 S. 2, §§ 158, 162 Abs. 2 S. 2; UStG 1993 § 22
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 9. Juni 2000 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 9. August 2000 wird die Einkommensteuer 1994 auf 8.756,38 EUR (= 17.126 DM), die Einkommensteuer 1995 auf 9.509,01 EUR (= 18.598 DM) und die Einkommensteuer 1996 auf 6.871,76 EUR (= 13.440 DM) festgesetzt.
2. Unter Änderung der geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 9. Juni 2000 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 10. August 2000 wird die Umsatzsteuer 1994 auf ./. 503,62 EUR (= ./. 985 DM), die Umsatzsteuer 1995 auf 106,35 EUR (= 208 DM) und die Umsatzsteuer 1996 auf ./. 56 EUR (= ./. 110 DM) festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Gebäudereiniger, die Klägerin als Bürokauffrau Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Daneben betrieb die Klägerin in den Streitjahren eine Reinigungsfirma „Teppichreinigung und Fensterreinigung nach Hausfrauenart”) und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sie gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Dieser Betrieb war am 1. September 1991 angemeldet worden. Aus den Akten ist folgende Einkünftesituation zu entnehmen:
Jahr |
Betriebseinnahmen (lt. Erklärung) DM |
Verlust erklärt: DM |
1994 |
9.282,60 |
8.929 |
1995 |
11.337,00 |
6.056 |
1996 |
9.732,00 |
12.076 |
Für das Jahr 1997 wurde bei Betriebseinnahmen in Höhe von 57.755 DM ein Gewinn in Höhe von 4.933 DM erklärt.
Zunächst veranlagte der Beklagte (das Finanzamt) die Kläger für die Streitjahre weitestgehend erklärungsgemäß und setzte
die Einkommensteuer 1994 mit Bescheid vom 18. März 1996 vorläufig auf 17.000 DM,
die Einkommensteuer 1995 mit Bescheid vom 7. Mai 1997 vorläufig auf 18.338 DM,
die Einkommensteuer 1996 mit Bescheid vom 7. Mai 1997 vorläufig auf 13.467 DM fest.
Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 28. Februar 1996 wurde
die Umsatzsteuer 1994 auf ./. 880 DM, durch Einreichung der Umsatzsteuererklärung vom 15. Februar 1997 wurde die Umsatzsteuer 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 265,32 DM sowie mit Bescheid vom 26. März 1997 die Umsatzsteuer 1996 auf ./. 166 DM festgesetzt.
Vom 25. Juni 1998 bis 5. Januar 1999 fand bei dem Einzelunternehmen der Klägerin eine Außenprüfung betreffend die Streitjahre statt. Dabei stellte der Prüfer fest, dass im Unternehmen der Klägerin kein Kassenbuch geführt worden ist. Der Prüfer vertrat daher die Ansicht, die Aufzeichnungspflichten gemäß § 22 Umsatzsteuergesetz (UStG) in Verbindung mit § 146 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) seien nicht erfüllt, die Beweiskraft der Aufzeichnungen gemäß § 158 AO seien zu verneinen. Weil ein Kassenbuch überhaupt nicht vorgefunden worden sei, seien die restlichen Aufzeichnungen nur soweit der Besteuerung zu Grunde zu legen, als ihre sachliche Richtigkeit nicht beanstandet werden können. Bareinzahlungen, deren Herkunft nicht zweifelszwei aufklärbar seien, seien als Betriebseinnahmen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dem Gewinn hinzuzuschätzen. Zweifel gingen zu Lasten der Klägerin, da es ihre Aufgabe gewesen sei, durch sorgfältige Beachtung der §§ 22 UStG und 146 Abs. 1 Satz 2 AO...