rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf künftige Wohnnutzung gegen Entschädigung keine sonstige Leistung
Leitsatz (redaktionell)
Sind diverse, durch entsprechende Grunddienstbarkeiten abgesicherte Regelungen in einer Vergleichsvereinbarung im Kern darauf gerichtet, dass die Eigentümer eines in einem Gewerbegebiet befindlichen Betriebsgrundstücks, das aufgrund der Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 Baunutzungsverordnung unter anderem zulässigerweise mit einer vom Betriebsinhaber und seiner Familie bisher zu Wohnzwecken genutzten Betriebsinhaberwohnung bebaut ist, zugunsten eines anderen in dem Gewerbegebiet ansässigen Unternehmens auf jegliche künftige Wohnnutzung in ihrem Betriebsareal verzichten, damit das andere Unternehmen unabhängig von Sperrzeiten und Lärmschutzgrenzwerten Diskotheken sowie eine Kart-Bahn betreiben kann, so ist die von dem anderen Unternehmen gezahlte Entschädigung bei den Zahlungsempfängern nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtig. Es handelt sich vielmehr um einen nicht steuerbaren veräußerungsähnlichen Vorgang im privaten Bereich, bei dem ein Entgelt nur dafür erbracht wird, dass ein Vermögensgegenstand (hier: Wohnnutzung) in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 3 S. 1
Tenor
1. Unter Abänderung der geänderten Einkommensteuerbescheide für 1999 und 2000 vom 18. Juni 2007 werden die Einkommensteuer für 1999 auf 31.729,75 EUR und die Einkommensteuer für 2000 auf 25.313,04 EUR herabgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Steuerbarkeit von Entschädigungszahlungen.
Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre 1999 und 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin betreibt in einem Gewerbegebiet der Gemeinde Gl einen Papier- und Schreibwarengroßhandel. Auf den Grundstücken in dem Gewerbegebiet, die zum größten Teil den Klägern gemeinsam gehören, befinden sich zwei 1983 und 1995 errichtete Lagerhallen; auf den Lageplan wird Bezug genommen (Finanzgerichts – FG – Akte, Bl 57). An die 1983 errichtete Lagerhalle war ein Wohngebäude angebaut. Im Erdgeschoß des Wohngebäudes befand sich das Büro für den Papier- und Schreibwarengroßhandel. Im Obergeschoß bewohnten die Kläger mit ihren drei minderjährigen Kindern aufgrund einer Ausnahmeregelung im Bebauungsplan gem. § 8 Abs. 3 Ziffer 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) eine so genannte Betriebsinhaberwohnung (132 m²). Neben der 1995 errichteten Lagerhalle planten die Kläger den Bau eines Wohnhauses, für das bereits eine Baugenehmigung vorlag. In der Nachbarschaft der Wohnung befand sich das Betriebsgelände der Eheleute W, die dort die beiden Diskotheken „A” und „R” sowie eine Go-Kart-Bahn mit entsprechenden Parkflächen betrieben. Die Kläger hatten als Nachbarn die baurechtliche Zustimmung zu der Bebauung durch die Eheleute W erteilt.
Im Laufe der Zeit kam es zu Auseinandersetzungen der Kläger mit den Eheleuten W wegen Überschreitungen der zulässigen Lärmschutzgrenzwerte während der Öffnungszeiten der Diskotheken und wegen der Nichteinhaltung der Sperrzeiten. Die von den Klägern gegen die Eheleute W beim zuständigen Landratsamt angestrengten Verfahren insbesondere gegen Sperrzeitverkürzungen dienten dem Zweck, den Klägern und ihren minderjährigen Kindern die benötigte Nachtruhe zu verschaffen. Eine Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Klägerin war nicht gegeben. Zur Einhaltung der Lärmrichtwerte waren von den Eheleuten W Investitionen in einem Gesamtvolumen von 500.000 DM vorgesehen.
In einem Verfahren wegen Arrest und einstweiliger Verfügung, das die Kläger vor dem Landgericht D mit dem Ziel eingeleitet hatten, die Beachtung der Sperrzeit und Wahrung der Nachtruhe sicher zu stellen, wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 11. Mai 1999, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Einkommensteuerakte 2001, Bl 58 ff.), von den Klägern der Vorschlag unterbreitet, dass gegen eine Entschädigung in Höhe von 700.000 DM auf das Wohnrecht bezüglich der Betriebsinhaberwohnung verzichtet werden könnte. Dementsprechend wurde in der Sitzung folgender Vergleich geschlossen:
In § 1 des Vergleichs wurde der Verzicht der Kläger „für sich und ihre Rechtsnachfolger sowie für ihre Kinder auf jegliche Wohnnutzung auf ihren in dem Gewerbegebiet gelegenen Grundstücken” ausgesprochen. Der Verzicht umfasste sowohl die Nutzung der bestehenden Betriebsinhaberwohnung, die in Büroräume umgewidmet werden sollte, als auch die bereits erteilte Baugenehmigung für das Wohnhaus (Nr. 1). Weiter verzichteten die Kläger auf jegliche Rechtsbehelfe insbesondere gegen Sperrzeitverkürzungen und auf alle Rechte aus eventuellen Lärmbelästigungen durch die Betriebe der Eheleute W (Nr. 2). Ferner enth...