Entscheidungsstichwort (Thema)

Softwareentwickler ohne Studienabschluss und ohne einem Fachhochschulabsolventen vergleichbare IT-Kenntnisse nicht freiberuflich tätig. Beurteilung der auf Datenträger vorgelegten Arbeitsproben durch Sachverständigen zulässig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Steuerpflichtiger, der eine der Ingenieurausbildung vergleichbare Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht nachweisen kann, muss den Erwerb von in der Breite und Tiefe vergleichbaren Kenntnissen, die er im Wege der Fortbildung bzw. des Selbststudiums erworben hat, entweder durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen oder anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Wissensprüfung nachweisen.

2. Werden zum Nachweis für die Ausübung eines ingenieurähnlichen Berufs auch Arbeitsproben auf einem elektronischen Datenträger vorgelegt, ist es bei fehlender eigener Fachkompetenz des Gerichts und Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Freiberuflichkeit der IT-Tätigkeit des Klägers zulässig, die vorgelegten Arbeitsproben unmittelbar vom Sachverständigen auch daraufhin prüfen zu lassen, ob die dokumentierten Arbeiten vom Kläger persönlich stammen.

3. Auch wenn der nicht über einen förmlichen Berufsabschluss der Ingenieurswissenschaften verfügende Steuerpflichtige aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Gebiet der Softwareentwicklung und damit einem Ingenieur vergleichbar tätig ist, ist seine Tätigkeit als gewerblich einzustufen, wenn er sich unter Würdigung der gesamten vorgelegten Unterlagen (zu zwei abgebrochenen technischen Studiengängen sowie zu Kursen und zum Selbststudium) zwar im EDV-Bereich ausgebildet, aber nicht annähernd Kenntnisse erworben hat, die denen eines Fachhochschulabsolventen entsprechen, der 2/3 der Pflichtfächer bestanden hat, und wenn sich nach der Wertung des Sachverständigen die für eine ingenieursähnliche Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse auch nicht aus den nachträglich vorgelegten Unterlagen des Klägers über seine praktischen Arbeiten ergeben.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; FGO § 82; ZPO § 404a Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.05.2016; Aktenzeichen VIII R 4/13)

BFH (Urteil vom 03.05.2016; Aktenzeichen VIII R 4/13)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob es sich bei den im Rahmen des Einzelunternehmens Informationstechnologie erzielten Einkünften des Klägers um Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit handelt.

Der Kläger hat nach Erreichen der Fachhochschulreife an einer Höheren Handelsschule und der allgemeinen Hochschulreife an einem Wirtschaftsgymnasium eine Ausbildung in elektronischer Datenverarbeitung und als Pascal-Programmierer an der Bundeswehrschule … gemacht. Daraufhin absolvierte er an der Technischen Universität München im Diplomstudiengang Chemie das 1. bis 6. Semester mit Vordiplomprüfung und studierte anschließend für drei Semester Informatik. Über einen abgeschlossenen Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss verfügt er nicht.

Seit 1993 übte der Kläger eine gewerbliche Tätigkeit aus mit den Schwerpunkten Planung, Durchführung und Verkauf von Netzwerkinfrastrukturen, Expertensystemen für Konstruktionszeichnungen und die Druckvorstufe sowie kaufmännischer Software. Seit 1996 wirkte er an diversen Projekten zur Entwicklung von System- und Anwendersoftware mit.

In den Streitjahren war er im Rahmen von Projekten der … AG, der … AG, der … GmbH – jeweils mittelbar über den Auftraggeber … GmbH –, der …, sowie der … und … (Projekt …) beauftragt.

Der Kläger erklärte diesbezüglich als Kaufmann aus seinem Einzelunternehmen Informationstechnologie Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Gewerbsteuermessbetragsfestsetzung für 2000 bis 2002 erfolgte insoweit zunächst erklärungsgemäß (Bescheide vom 29. September 2003, 11. Februar 2004, 9. März 2004). Zudem wurde ein vortragsfähiger Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2002 in Höhe von 929 EUR mit Bescheid vom 9. März 2004 festgestellt

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung (BP) für die Jahre 2000 bis 2003 (BP-Bericht vom 27. August 2007) wurde mit Änderungsbescheiden vom 19. September 2007 der Gewerbesteuermessbetrag für 2000 auf 2.910 DM, für 2001 auf 2.515 DM und für 2002 auf 115 EUR festgesetzt und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2002 aufgehoben.

Mit seinen hiergegen gerichteten Einsprüchen trug der Kläger – neben anderen Gesichtspunkten – erstmals vor, dass es sich bei den Einkünften aus dem Einzelunternehmen Informationstechnologie um freiberufliche Einkünfte handle. Der Aufforderung seitens des Beklagten (Finanzamt – FA –), ein Sachverständigengutachten vorzulegen zum Nachweis dafür, dass er in Breite und Tiefe über dem Wissen eines Diplom-Informatikers vergleichbare Kenntnisse verfüge, kam der Kläger nicht nach.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 setzte das FA den Gewerbesteuermessbetrag aus h...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Finance Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge