Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Einordnung von Mitgliedsbeiträgen als Entgelte; Anwendung des ermäßigten Steuersatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zur Bejahung eines Leistungsaustausches kann sich bei einer Gesellschaft nicht aus der Beteiligung des Gesellschafters am allgemeinen Gewinn und Verlust ergeben. Vielmehr muss die Tätigkeit der Gesellschaft dem konkreten Individualinteresse des Gesellschafters dienen.

2. Ob das für die Annahme eines Leistungsaustausches erforderliche Rechtverhältnis auf schuld- oder gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen oder bei Vereinsleistungen an die Mitglieder auf der Vereinssatzung beruht, ist unerheblich.

3. Für die Anwendung des ermäßigt. Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG muss die Leistung unmittelbar der Förderung der Tierzucht dienen. Bei Beratungsleistungen, die der Produktions- und Wirtschaftlichkeitsberatung eines Schweinemastbetriebes dienen, steht nicht die Förderung der Tierzucht im Vordergrund.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 4, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.12.2010; Aktenzeichen V R 60/09)

BFH (Beschluss vom 10.12.2010; Aktenzeichen V R 60/09)

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzung für 2002, ob die an die Klägerin (Klin.) gezahlten Mitgliedsbeiträge insgesamt Entgelte für gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerbare Umsätze sind und, wenn dies der Fall ist, ob auf die Umsätze insgesamt der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG anzuwenden ist.

Die Klägerin (Klin.) ist eine eingetragene Genossenschaft (eG) mit Sitz in T. Mitglieder der Klin. sind Landwirte, die als Vermehrer, Ferkelerzeuger, Ferkelaufzüchter bzw. Mäster tätig sind. Die Landwirte werden durch die Klin. in allen Fragen der Schweineproduktion betreut und beraten (vgl. Internetseite der Klin.: www. ….com). Nach § 1 Punkt II. der Satzung der Klin. ist Gegenstand ihres Unternehmens:

„… die Förderung der tierischen Veredelungswirtschaft in den landwirtschaftlichen Betrieben der Mitglieder durch kostengünstige:

  1. Beratung über

    a.

    alle produktionstechnischen Fragen einer rationellen Viehhaltung unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen des Marktes und

    b.

    den Absatz der anfallenden Veredelungsprodukte an eine zentrale ländliche genossenschaftliche Absatzorganisation,

  2. Ermittlung der Nutzungsleistungen mit gemeinsamer Auswertung der Ergebnisse,
  3. Gesundheitskontrolle der Tiere,
  4. gemeinsame Nutzung landwirtschaftlicher Einrichtungen sowie Leistungen für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse, auch durch Beteiligung an solchen Einrichtungen, soweit sie dem Gegenstand des Unternehmens entsprechen. …”

Nach § 2 Punkt V. der Satzung der Klin. („Pflichten der Mitglieder”) hat jedes Mitglied, um eine sachgerechte Erledigung des Zwecks der Klin. zu gewährleisten, die Pflicht, sich der Einrichtung der Genossenschaft ständig zu bedienen und die festgesetzten Beiträge zu entrichten. Für das Streitjahr 2002 setzte die Klin. insoweit Beiträge fest, die sich aus einem sog. Grundbeitrag, einem sog. Zeitaufwandsbeitrag und einem sog. Tiermengenbeitrag (vgl. Beitragsordnung ab dem 01.01.2002) zusammensetzten. Zur Betreuung und Beratung der jeweiligen Mitglieder, der Landwirte, „vor Ort” setzte die Klin. sog. Ringberater ein. Hinsichtlich der Tätigkeit der Ringberater in den Betrieben wird auf die übersandte Tätigkeitsbeschreibung verwiesen.

Die Klin. reichte am 27.04.2004 ihre (zustimmungsbedürftige) USt-Erklärung für 2002 bei dem Beklagten (Bekl.) ein, in der sie 50 % der von den Mitgliedern geleisteten Beiträge als Entgelte für steuerbare Umsätze und 50 % der Beiträge als Entgelte für nicht steuerbare Umsätze behandelte. Die steuerbaren Umsätze unterwarf sie dem ermäßigten Steuersatz. Der Bekl. stimmte der USt-Erklärung nicht zu und führte 2004/2005 eine USt-Sonderprüfung für 2002 bei der Klin. durch. In dem Bericht über die USt-Sonderprüfung vom 03.01.2005 führte der Prüfer sinngemäß aus: Die Beiträge seien insgesamt als steuerbare Umsätze zu behandeln. Wie in dem Bericht über die Außenprüfung für 1994 bis 2000 ausgeführt worden sei, seien die Beiträge überwiegend leistungsbezogen und nach einem Kostendeckungsprinzip erhoben worden. Sie seien als Leistungsentgelt für den Einsatz der Ringberater zu werten. Nur die Beratung im Bereich der Tierzucht, nicht aber die Beratung von Mastbetrieben durch die Klin. unterliege gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG dem ermäßigten Steuersatz. Getrennte Aufzeichnungen/Abrechnungen bezüglich des Entgelts für die Beratung in der Tierzucht (= ermäßigter Steuersatz) und bezüglich des Entgelts für die Beratung im Bereich der Tiermast (= Regelsteuersatz) würden nicht vorliegen. Ebenso wenig würden bezüglich der Misch-Betriebe (Betriebe mit Zucht und Mast) Aufzeichnungen über den anteiligen Zeiteinsatz der Ringberater im Bereich der Tierzucht bzw. Tiermast vorliegen. Die bisher von der Klin. als nicht steuerbar behandelten Beiträge würden hochgerechnet bru...

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