Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Steuerbefreiung für Umsätze aus Heilbehandlungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 14 UStG setzt nach ständiger BFH-Rechtsprechung voraus, dass der Unternehmer einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass der Unternehmer die dafür erforderliche Qualifikation besitzt.
2. Von einer beruflichen Befähigung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Unternehmer die Voraussetzungen einer berufsrechtlichen Regelung erfüllt, die mit einem der in § 18 EStG ausdrücklich genannten Heilberufe vergleichbar ist.
Normenkette
EStG § 18; UStG § 4 Nr. 14
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Umsätze der Klägerin in den Streitjahren 2001 bis 2003 der Umsatzsteuer (USt) unterliegen.
Die Klägerin ist Dipl. Sozialarbeiterin und seit … im Besitz der vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. (DKThR) vergebenen Lizenz „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren”. In den Streitjahren betrieb sie in E eine Praxis für Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren, in der Kinder mit Entwicklungsdefiziten gefördert wurden. Darüber hinaus war die Klägerin noch als Referentin des DKThR tätig. Über eine Kassenzulassung nach § 124 des Sozialgesetzbuches (SGB) V verfügte die Klägerin in den Streitjahren nicht.
USt-Erklärungen für die Streitjahre gab die Klägerin nicht ab.
Ab dem 25.07.2005 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. In dem darüber gefertigten Bericht vom 29.07.2005 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die Umsätze der Klägerin in vollem Umfang der USt unterlägen. Heilpädagogisches Reiten werde von der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht erfasst, da es sich um eine Tätigkeit handele, deren Kosten von den Sozialversicherungsträgern nur in Einzelfällen übernommen würden. Auch die Umsätze aus der Dozententätigkeit seien umsatzsteuerpflichtig. Dies gelte unabhängig davon, ob die Praxisumsätze der USt unterlägen.
Im Einzelnen stellte der Prüfer in den Streitjahren folgende Umsätze (brutto) fest:
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2001 |
2002 |
2003 |
Umsätze Therapeutisches Reiten |
52.169,60 DM |
38.048,19 EUR |
35.589,96 EUR |
davon mit Jugendbzw. Sozialämtern abgerechnet |
62,12 % |
54,32 % |
33,72 % |
Umsätze Dozententätigkeit |
4.499,20 DM |
6.330,28 EUR |
6.645,60 EUR |
Kfz-Verkauf |
12.000,– DM |
– |
– |
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2001 |
2002 |
2003 |
Sonstige Einnahmen (7 %) |
– |
– |
290,– EUR |
Der Beklagte erließ am 25.10.2005 auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen USt-Bescheide für die Streitjahre. Dabei wurde die USt für 2001 auf 2.959,36 EUR, für 2002 auf 4.673,49 EUR und für 2003 auf 4.679,73 EUR festgesetzt.
Die Klägerin legte gegen diese Bescheide mit Schreiben vom 21.11.2005 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: § 4 Nr. 14 UStG erfasse entgegen der Auffassung des Beklagten auch die Umsätze einer selbständigen Heilpädagogin. Darüber hinaus sei sie als Einrichtung mit sozialem Charakter anzusehen und könne sich daher unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und h der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen. Die notwendige Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter ergebe sich daraus, dass die Kosten der heilpädagogischen Leistungen in den Streitjahren überwiegend von den Sozial- und Jugendämtern und zu einem geringen Teil auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen worden seien. Von der in der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit, die Steuerbefreiung von weiteren Bedingungen abhängig zu machen, habe der deutsche Gesetzgeber in den Streitjahren keinen Gebrauch gemacht.
Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 18.09.2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Umsätze der Klägerin würden nicht von § 4 Nr. 14 UStG erfasst. Therapeutisches Reiten stelle keine „ähnliche heilberufliche Tätigkeit” dar, da es mit keinem der Katalogberufe vergleichbar sei. Auch würden die Kosten der Patienten entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht überwiegend von Jugend- und Sozialämtern getragen. Es werde vielmehr vornehmlich privat abgerechnet. Auch die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und h der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Steuerbefreiungen für Einrichtungen mit sozialem Charakter seien im Streitfall nicht anwendbar. Die Anerkennung der Praxis durch das DKThR sei nur privater Natur und mit einer Kassenzulassung nicht vergleichbar. Auch von einer nichtförmlichen Anerkennung durch die Sozialversicherungsträger könne nicht ausgegangen werden, da die Kosten der Therapie nicht generell, sondern nur in Ausnahmefällen übernommen würden.
Am 18.10.2006 hat die Klägerin daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus: In den Streitjahren habe sie mit dem therapeutischen Reiten medizinisch indizierte Leistun...