Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 174 Abs. 3 AO bei unterlassener Besteuerung stiller Reserven
Leitsatz (redaktionell)
An der für die Anwendung des § 174 Abs. 3 AO notwendigen Kausalität zwischen Nichterfassung des Sachverhalts und der Auffassung, der Sachverhalt sei in einem anderen Verfahren zu berücksichtigen, fehlt es, wenn die Finanzbehörde die Besteuerung stiller Reserven unterlässt, weil sie annimmt, die Wirtschaftsgüter seien nach wie vor steuerlich verstrickt.
Normenkette
AO § 174 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Änderung eines Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 174 Abs. 3 Abgabenordnung vorliegen.
Die Klägerin ist ein Energieversorgungstechnikunternehmen in der Form einer GmbH & Co. KG. Kommanditistin der Klägerin und Geschäftsführerin der Komplementär GmbH ist Frau G. Diese ist zugleich Eigentümerin der Grundstücke an der O Straße, auf denen die Klägerin bis zum 31. Dezember 1995 ihre Geschäfte betrieb. Danach war eine Umsiedlung in das Industrie- und Gewerbegebiet E geplant.
Seinerzeit ließ sich die Klägerin durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Z-Treuhandgesellschaft mbH in steuerlicher Hinsicht beraten. Diese nahm in einem Kurzgutachten zu der Frage Stellung, wie die Aufdeckung stiller Reserven durch die Betriebsverlegung vermieden werden könne. Seinerzeitige Beratungsempfehlung war, die Grundstücke an der O Straße in ein anderes Betriebsvermögen zu übertragen. Hierzu sollte eine gewerblich geprägte Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. GbR (mbH) gegründet werden.
Mit Schreiben vom 14. September 1994 bat die Klägerin den Beklagten um eine verbindliche Auskunft u. a. zu der Frage, wie die vorstehend geschilderte Gestaltung steuerlich gewürdigt würde. Mit Verfügung vom 17. November 1995 führte der Beklagte dazu u.a. aus: „Die Realisierung stiller Reserven kann nur dann vermieden werden, wenn das Grundstück weiter in einem Betriebsvermögen verbleibt, wobei die Entnahme aus dem einen durch die Einlage in ein anderes Betriebsvermögen möglich ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Einkommensteuergesetz). Durch die Neugründung der gewerblich geprägten Personengesellschaft GmbH & Co. GbR kann ein anderes Betriebsvermögen begründet werden. Die Einlage des Betriebsgrundstückes ist mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen; sie ist jedoch höchstens mit dem Entnahmewert anzusetzen, da das zugeführte Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung aus einem Betriebsvermögen entnommen worden ist”.
Daraufhin wurde mit notariellem Vertrag des Notars …, UR-Nr.: 1995 vom 20. Dezember 1995 die G. Geschäftsführung GmbH und G Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Haftungsbeschränkung wie eine GmbH & Co. KG gegründet. Die G. Geschäftsführung GmbH und Frau G sind Gesellschafterinnen der Gesellschaft. Die G. Geschäftsführung GmbH, deren Geschäftsführerin Frau G ist, ist allein zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Frau G ist zu 100 % am Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft beteiligt, die G. Geschäftsführung GmbH hingegen hat keinen Anteil am Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft.
Am 09. Dezember 1996 wurde für die Klägerin eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung 1995 eingereicht. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1995 vom 11. Februar 1997 stellte der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 661.595,00 DM fest. Nach einer Betriebsprüfung wurde dieser Bescheid mit Änderungsbescheid vom 27.04.1999 dahingehend geänderte, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 714.594,00 DM festgestellt wurden. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Die G. Geschäftsführung GmbH und G Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Haftungsbeschränkung wie eine GmbH & Co. KG wurde ab 1. Januar 1996 von dem Beklagten steuerlich als gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Einkommensteuergesetz bzw. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts behandelt. Feststellungsbeteiligte waren Frau G und die Firma G. Geschäftsführung GmbH. Für die Jahre 1996 bis 1999 reichte diese Gesellschaft jeweils dementsprechend sowohl eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung als auch eine Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärung ein. Der Beklagte führte erklärungsgemäß entsprechende Feststellungen und Steuerfestsetzungen durch.
Die Grundstücke O Str. wurden bis 5/1995 von der Klägerin genutzt, sie waren bis zu diesem Zeitpunkt notwendiges Betriebsvermögen, bis zum 31. Dezember 1995 wurden sie als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt. Ab Mai 1995 zog die Klägerin in ihr neu errichtetes Betriebsgebäude Z in L ein, deren Eigentümerin die KG ist. Die Grundstücke O Straße wurden zum 1. Januar...